Eine
Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Vorfeld neuer
2+3-Verhandlungen über den Zypernkonflikt in Crans-Montana ab 28. Juni 207 gibt
Anlass zu einem kurzen Rück- und Ausblick auf die einschlägige
Haltung
der Bundesrepublik Deutschland. Die Beschäftigung der Bundesrepublik
mit diesem für die internationale Friedenspolitik
bedeutsamen Konflikt (vgl. dazu die websites des Verfassers zum
Zypernkonflikt) begann im wesentlichen
mit lebhafter Begrüßung des zyprischen Verfassungskompromisses von 1959/1960,
fand aber eine Fortsetzung in Bemühungen des deutschen Botschafters in Nikosia,
die Wirksamkeit des deutschen Verfassunsgrechtlers Professor
Ernst Forsthoff
als Präsident des zur Überwachung des Kompromisses eingerichteten zyprischen
Verfassungsgerichtshofs zu untergraben (siehe
Thorsten Kruse, "Die Affäre
Forsthoff –
die junge Republik Zypern und ihr deutscher Präsident des Verfassungsgerichts", in:
Thetis 19, 2012, pp. 207). Dies geschah zur Beruhigung griechischer
Befürchtungen, die Bemühungen zur Durchsetzung der Verfassung könnten dem
griechischen Vorherrschaftsanspruch zuwiderlaufen. Im Übrigen erschöpfte sich die
deutsche „Zypernpolitik“ in teilweise auch vorauseilendem Gehorsam gegenüber den
im Ergebnis pro-griechischen Bemühungen der Vereinten Nationen um eine neue
Version des spätestens 1963 gescheiterten Kompromisses von 1960 (siehe auch den
Beitrag dieser homepage über die
Assoziierung der deutschen Regierung mit einer Desinformation durch die
Bundeszentrale für Politische Bildung zum Zypernkonflikt.) Diese Politik
umfasste frühzeitig die Versetzung eines auf Ausgleich bedachten Leiters des
Goethe-Instituts von Nikosia und später wiederholte Auswechslungen des deutschen
Botschafters (der deutschen Botschafterin) bei der griechisch-zyprischen Regierung
von Südzypern. Eine Änderung dieser „Politik“ steht nicht in Aussicht.
Neuerdings hat sich die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) durch einen Vortrag des
Direktors ihres Büros in der griechischen Republik von Südzypern (die
international als „Republik Zypern“ anerkannt ist)
Hubert Faustmann auf
ihrer öffentlichen Veranstaltung vom 22. Mai 2017 an der Urania in Berlin an
einer bestenfalls nichtssagenden Scheindiskussion des Zypernkonflikts beteiligt
(FES Zypern Nachrichten Nr. 59 vom Mai 2017). Faustmann, ein Absolvent der
Universität Mannheim, ist auch an der griechisch-zyprischen Universität von
Nicosia als Assistenzprofessor angestellt und durch mehrere Veröffentlichungen
gleicher Tendenz ausgewiesen. Sein Vortrag bedient sich der zugleich subtilen
und plumpen Methode, den Gegenstand des Konflikts zu verschleiern oder zu
unterdrücken.
Der einleitende Abschnitt seines Vortrags „Das Zypernproblem“ bezeichnet mit
dieser Überschrift nicht etwa den Konflikt, sondern
Forderungen der
griechischen Konfliktpartei auf Vorherrschaft über Zypern und die
türkischen Zyprer, die den Konflikt ausgelöst haben und weiter bestimmen. Er
impliziert einen Rechtsanspruch der griechischen Regierung von Südzypern auf
Souveränität über den türkisch regierten Nordteil der Insel. Mit keiner
Andeutung geht der Abschnitt auf den Widerspruch zwischen diesem Anspruch und
dem zypern-türkischen Selbstbestimmungsrecht ein, der die Substanz des
Konflikts ausmacht. Er erleichtert sich seine einseitige Darstellung, indem
er den türkischen Anspruch nicht erwähnt, geschweige denn würdigt. Der Vortrag
blendet auf diese Weise die wesentlichen Umstände aus, aus denen allenfalls
Hinweise auf Möglichkeiten einer dauerhaften friedlichen Konfliktbeendigung
gewonnen werden könnten. Im einzelnen:
Kapitel 1 „Das Zypernproblem“.
S. 2.
Unter der Überschrift „Das Zypernproblem“ berichtet Faustmann, dass sich die
türkische Seite (vorübergehend) von Gesprächen über eine Konflikt-Beendigung
zurückgezogen hat, weil das griechisch-zyprische Parlament im Februar 2017
einen Gedenktag für das 1950 abgehaltene griechisch-zyprische Referendum für
eine Vereinigung Zyperns mit Griechenland an Schulen einzuführen beschlossen
hatte. Er führt aus, dass das griechisch-zyprische Parlament den Beschluss
auf Protest der türkischen Seite dadurch (zum Schein) aus der Welt zu schaffen
versucht hat, dass es die Befugnis zur Einführung von Gedenktagen an Schulen
dem Erziehungsminister übertragen hat. Weiter ergibt sich aber aus dem Bericht
(S. 3), dass der griechisch-zyprische Generalstaatsanwalt die
Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung durch Anrufung des griechisch-zyprischen
Verfassungsgerichts angefochten hat. Damit ist ein treffendes Beispiel für
Unaufrichtigkeit und Hinterhältigkeit der griechischen Teilnahme an
Ausgleichsbemühungen im Zypernkonflikt geliefert.
S. 3 f.
Faustmann erwähnt griechische Beschwerden gegen Unterstützung des UN-Vermittlers
für die Forderung der türkischen Zyprer nach Freizügigkeit in der EU im Fall
einer Einigung sowie gegen seine angebliche Behinderung von Gesprächen über
„Garantien“ und „Abzug türkischer Soldaten“ durch den UN-Vermittler. Ferner
berichtet Faustmann von einer angeblichen Behinderung eines
Strafermittlungsverfahrens gegen türkische Zyprer in der türkischen Republik
Zyperns. Seine Darstellung lässt jedoch erkennen, dass dieSE „Behinderung“
letztlich auf die Weigerung der griechischen Seite, ihre Beweismittel der
türkisch-zyprischen Justiz zu überlassen, und die Forderung der griechischen
Seite nach Auslieferung Verdächtiger zurückgeht.
S. 4.
Faustmann berichtet von Meinungsverschiedenheiten zwischen türkischen Zyprern
über Grenzen, die für die Politisierung griechischer religiöser Veranstaltungen
#in Nordzypern gelten sollen. Aus der Betrachtung der griechischen Regierung
von Südzypern durch die „internationale Staatengemeinschaft“ als Regierung der
ganzen Insel entnimmt Faustmann, dass die ganze Insel daher Teil der EU, ohne
auf die Problematik dieser Folgerung einzugehen.
S. 5.
Faustmann berichtet von einer Spende der „Regierung der Republik Zypern“ für
das Komitee für vermisste Personen, ohne entsprechende türkische Beiträge zu
erwähnen. Er berichtet ferner, dass eine „bikommunale“ Menschenkette gegen
den geplanten Bau eines Kernkraftwerks in der Türkei protestiert hat. Der
Ausdruck „bikommunal“ lässt die konfliktbezogen wichtige Frage offen, ob es
sich um Kooperation der Regierungen der beiden Inselstaaten oder von
griechischen und türkischen Zyprern handelt, von wem die Initiative zu der
Veranstaltung ausging und ob und gegebenenfalls welche politische Agitation
mit ihr verbunden wurde.
Kapitel 2 bis 4 über „Gasvorkommen“, über „Griechische Zyprioten“ und über
„Türkische Zyprioten“.
S. 5 f.
Der Vortrag berichtet (auch S. 2) über die Verfügung der griechischen
Konfliktpartei über eine „exklusive Wirtschaftszone vor der Küste Zypern“
und die Absicht der türkischen Konfliktpartei seismologischer Untersuchungen
in derselben Zone, ohne darauf einzugehen, dass die Unternehmungen jene
Souveränität voraussetzen, die Gegenstand des Streits um im Zypern sind.
S. 6 f.
Der Vortrag stellt die wirtschaftliche Entfaltung der griechischen Republik
von Südzypern dar. Das griechisch-zyprische Staatsbudget wird gelobt, die
Überschuldung auf Kosten der EU-Steuerzahler verschwiegen. Indem er diese
durch Ghettoisierung der Zyperntürken begünstigte Entwicklung als
„zypriotisch“ und die Regierung dieses Raums als „zypriotische Regierung“
bezeichnet, knüpft der Autor zwar an den in der „Völkerfamilie“
verbreiteten Sprachgebrauch an, täuscht aber darüber hinweg, dass die
Frage nach einer legitimen Regierung der Insel gerade den Kern des
Zypernkonflikts bildet.
S. 8 ff.
Immerhin lässt Seite 8 erkennen, dass es allen politischen Parteien der
griechischen Republik von Südzypern im Zypernkonflikt nicht um Ausgleich
sondern um „Führung“ der gesamten Insel geht. Faustmann berichtet hier
auch über die in griechisch-Zypern ebenso wie fast überall in Europa vor
sich gehenden „sozialen“ Verteilungskämpfe.
S. 10 ff.
Über die „türkischen Zyprioten“ (und nicht etwa über ihr ignoriertes
Gemeinwesen) berichtet Faustmann, als ob dort die Beschädigung einer
Wasserleitung oder ein Protest türkischer Zyprer gegen die Aussage
eines Beraters des Präsidenten der Türkei, Zypern solle „Überseegebiet“
der Türkei werden (eine Antwort auf das griechische traditionelle
Streben nach „Enosis“, durch die Zypern zum Überseegebiet
Griechenlands werden soll) im Vordergrund stünde. Der Bericht verdrängt,
dass sich die ganze türkisch-zyprische Bevölkerung im Gegensatz zu
einer bloßen Minderheit auf griechischer Seite intensiv an den
ehrlichen Bemühungen des türkisch-zyprischen Präsidenten und seiner
Gefolgschaft um einen Ausgleich mit der griechischen Seite beteiligt.
Faustmann erwähnt auch Auswirkungen des Putsches in der Türkei auf
Nordzypern die Teilnahme von Türken in Zypern am türkischen
Verfassungsreferendum. Als innenpolitisches highlight stellt
Faustmann Vorwürfe dar, der türkisch-zyprische Ministerpräsident
habe Steuergelder zweckentfremdet.
S. 12 f.
Der weitere Bericht über konservative, „euroskeptische“ und liberale
Tendenzen unter türkisch-zyprischen Politikern lässt einen Bezug zum
Zypernkonflikt nicht erkennen. Dass die griechisch-zyprischen
Bemühungen um einen Enosis-Gedenktag mit der Fortführung der
Gespräche der Konfliktparteien schwer vereinbar ist, erwähnt der
Bericht als Ansicht des türkisch-zyprischen Außenministers und nicht
etwa als eigene Beobachtung. Der Bericht schließt mit der Erwähnung
türkisch-zyprischer Streitigkeiten um Gesundheitspolitik und um
Rechte von Angestellteneines Komitees für vermisste Personen.
Insgesamt.
Der Sinn der vollständigen Übersicht über den vollständigen und
großen Teils auch relativ belanglosen Inhalt
des Vortrags erschließt sich aus dem Ergebnis, dass er entgegen
seiner Überschrift „Der Zypernkonflikt“
keinen ernsthaften
Beitrag zum Verständnis geschweige denn zu einer Beendigung des
Zypernkonflikts enthält. Abgesehen davon, dass sich der
Autor mit einigen Wendungen zumindest implicite den griechischen
Konfliktstandpunkt zu eigen macht, vermeidet er sorgfältig die
vollständige Darstellungen konfliktrelevanter Tatsachen und die
Diskussion von Gründen, die eine objektive Bewertung der
Standpunkte und Interessen der Konfliktparteien ermöglichen könnten.
Indem die Friedrich Ebert Stiftung einer derartigen Präsentation
eine Plattform gewährt, trägt sie zur Bloßstellung der
wenig
friedensförderlichen und bestenfalls sterilen Einstellung
Deutschlands zum Zypernkonflikt bei.