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Rezension: Hubert Faustmann, Vortrag zum Zypernkonflikt anlässlich einer Veranstaltung der Friedrich Ebert Stiftung am 22. Mai 2017.

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pro re publica / Der Zypernkonflikt / The Cyprus Conflict

2017 06 25

Eine Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Vorfeld neuer 2+3-Verhandlungen über den Zypernkonflikt in Crans-Montana ab 28. Juni 207 gibt Anlass zu einem kurzen Rück- und Ausblick auf die einschlägige Haltung der Bundesrepublik Deutschland. Die Beschäftigung der Bundesrepublik mit diesem für die internationale Friedenspolitik bedeutsamen Konflikt (vgl. dazu die websites des Verfassers zum Zypernkonflikt) begann im wesentlichen mit lebhafter Begrüßung des zyprischen Verfassungskompromisses von 1959/1960, fand aber eine Fortsetzung in Bemühungen des deutschen Botschafters in Nikosia, die Wirksamkeit des deutschen Verfassunsgrechtlers Professor Ernst Forsthoff als Präsident des zur Überwachung des Kompromisses eingerichteten zyprischen Verfassungsgerichtshofs zu untergraben (siehe Thorsten Kruse, "Die Affäre Forsthoff – die junge Republik Zypern und ihr deutscher Präsident des Verfassungsgerichts", in: Thetis 19, 2012, pp. 207). Dies geschah zur Beruhigung griechischer Befürchtungen, die Bemühungen zur Durchsetzung der Verfassung könnten dem griechischen Vorherrschaftsanspruch zuwiderlaufen. Im Übrigen erschöpfte sich die deutsche „Zypernpolitik“ in teilweise auch vorauseilendem Gehorsam gegenüber den im Ergebnis pro-griechischen Bemühungen der Vereinten Nationen um eine neue Version des spätestens 1963 gescheiterten Kompromisses von 1960 (siehe auch den Beitrag dieser homepage über die Assoziierung der deutschen Regierung mit einer Desinformation durch die Bundeszentrale für Politische Bildung zum Zypernkonflikt.) Diese Politik umfasste frühzeitig die Versetzung eines auf Ausgleich bedachten Leiters des Goethe-Instituts von Nikosia und später wiederholte Auswechslungen des deutschen Botschafters (der deutschen Botschafterin) bei der griechisch-zyprischen Regierung von Südzypern. Eine Änderung dieser „Politik“ steht nicht in Aussicht.

Neuerdings hat sich die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) durch einen Vortrag des Direktors ihres Büros in der griechischen Republik von Südzypern (die international als „Republik Zypern“ anerkannt ist) Hubert Faustmann auf ihrer öffentlichen Veranstaltung vom 22. Mai 2017 an der Urania in Berlin an einer bestenfalls nichtssagenden Scheindiskussion des Zypernkonflikts beteiligt (FES Zypern Nachrichten Nr. 59 vom Mai 2017). Faustmann, ein Absolvent der Universität Mannheim, ist auch an der griechisch-zyprischen Universität von Nicosia als Assistenzprofessor angestellt und durch mehrere Veröffentlichungen gleicher Tendenz ausgewiesen. Sein Vortrag bedient sich der zugleich subtilen und plumpen Methode, den Gegenstand des Konflikts zu verschleiern oder zu unterdrücken.

Der einleitende Abschnitt seines Vortrags „Das Zypernproblem“ bezeichnet mit dieser Überschrift nicht etwa den Konflikt, sondern Forderungen der griechischen Konfliktpartei auf Vorherrschaft über Zypern und die türkischen Zyprer, die den Konflikt ausgelöst haben und weiter bestimmen. Er impliziert einen Rechtsanspruch der griechischen Regierung von Südzypern auf Souveränität über den türkisch regierten Nordteil der Insel. Mit keiner Andeutung geht der Abschnitt auf den Widerspruch zwischen diesem Anspruch und dem zypern-türkischen Selbstbestimmungsrecht ein, der die Substanz des Konflikts ausmacht. Er erleichtert sich seine einseitige Darstellung, indem er den türkischen Anspruch nicht erwähnt, geschweige denn würdigt. Der Vortrag blendet auf diese Weise die wesentlichen Umstände aus, aus denen allenfalls Hinweise auf Möglichkeiten einer dauerhaften friedlichen Konfliktbeendigung gewonnen werden könnten. Im einzelnen:

Kapitel 1 „Das Zypernproblem“.

S. 2.

Unter der Überschrift „Das Zypernproblem“ berichtet Faustmann, dass sich die türkische Seite (vorübergehend) von Gesprächen über eine Konflikt-Beendigung zurückgezogen hat, weil das griechisch-zyprische Parlament im Februar 2017 einen Gedenktag für das 1950 abgehaltene griechisch-zyprische Referendum für eine Vereinigung Zyperns mit Griechenland an Schulen einzuführen beschlossen hatte. Er führt aus, dass das griechisch-zyprische Parlament den Beschluss auf Protest der türkischen Seite dadurch (zum Schein) aus der Welt zu schaffen versucht hat, dass es die Befugnis zur Einführung von Gedenktagen an Schulen dem Erziehungsminister übertragen hat. Weiter ergibt sich aber aus dem Bericht (S. 3), dass der griechisch-zyprische Generalstaatsanwalt die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung durch Anrufung des griechisch-zyprischen Verfassungsgerichts angefochten hat. Damit ist ein treffendes Beispiel für Unaufrichtigkeit und Hinterhältigkeit der griechischen Teilnahme an Ausgleichsbemühungen im Zypernkonflikt geliefert.

S. 3 f.

Faustmann erwähnt griechische Beschwerden gegen Unterstützung des UN-Vermittlers für die Forderung der türkischen Zyprer nach Freizügigkeit in der EU im Fall einer Einigung sowie gegen seine angebliche Behinderung von Gesprächen über „Garantien“ und „Abzug türkischer Soldaten“ durch den UN-Vermittler. Ferner berichtet Faustmann von einer angeblichen Behinderung eines Strafermittlungsverfahrens gegen türkische Zyprer in der türkischen Republik Zyperns. Seine Darstellung lässt jedoch erkennen, dass dieSE „Behinderung“ letztlich auf die Weigerung der griechischen Seite, ihre Beweismittel der türkisch-zyprischen Justiz zu überlassen, und die Forderung der griechischen Seite nach Auslieferung Verdächtiger zurückgeht.

S. 4.

Faustmann berichtet von Meinungsverschiedenheiten zwischen türkischen Zyprern über Grenzen, die für die Politisierung griechischer religiöser Veranstaltungen #in Nordzypern gelten sollen. Aus der Betrachtung der griechischen Regierung von Südzypern durch die „internationale Staatengemeinschaft“ als Regierung der ganzen Insel entnimmt Faustmann, dass die ganze Insel daher Teil der EU, ohne auf die Problematik dieser Folgerung einzugehen.

S. 5.

Faustmann berichtet von einer Spende der „Regierung der Republik Zypern“ für das Komitee für vermisste Personen, ohne entsprechende türkische Beiträge zu erwähnen. Er berichtet ferner, dass eine „bikommunale“ Menschenkette gegen den geplanten Bau eines Kernkraftwerks in der Türkei protestiert hat. Der Ausdruck „bikommunal“ lässt die konfliktbezogen wichtige Frage offen, ob es sich um Kooperation der Regierungen der beiden Inselstaaten oder von griechischen und türkischen Zyprern handelt, von wem die Initiative zu der Veranstaltung ausging und ob und gegebenenfalls welche politische Agitation mit ihr verbunden wurde.

Kapitel 2 bis 4 über „Gasvorkommen“, über „Griechische Zyprioten“ und über „Türkische Zyprioten“.

S. 5 f.

Der Vortrag berichtet (auch S. 2) über die Verfügung der griechischen Konfliktpartei über eine „exklusive Wirtschaftszone vor der Küste Zypern“ und die Absicht der türkischen Konfliktpartei seismologischer Untersuchungen in derselben Zone, ohne darauf einzugehen, dass die Unternehmungen jene Souveränität voraussetzen, die Gegenstand des Streits um im Zypern sind.

S. 6 f.

Der Vortrag stellt die wirtschaftliche Entfaltung der griechischen Republik von Südzypern dar. Das griechisch-zyprische Staatsbudget wird gelobt, die Überschuldung auf Kosten der EU-Steuerzahler verschwiegen. Indem er diese durch Ghettoisierung der Zyperntürken begünstigte Entwicklung als „zypriotisch“ und die Regierung dieses Raums als „zypriotische Regierung“ bezeichnet, knüpft der Autor zwar an den in der „Völkerfamilie“ verbreiteten Sprachgebrauch an, täuscht aber darüber hinweg, dass die Frage nach einer legitimen Regierung der Insel gerade den Kern des Zypernkonflikts bildet.

S. 8 ff.

Immerhin lässt Seite 8 erkennen, dass es allen politischen Parteien der griechischen Republik von Südzypern im Zypernkonflikt nicht um Ausgleich sondern um „Führung“ der gesamten Insel geht. Faustmann berichtet hier auch über die in griechisch-Zypern ebenso wie fast überall in Europa vor sich gehenden „sozialen“ Verteilungskämpfe.

S. 10 ff.

Über die „türkischen Zyprioten“ (und nicht etwa über ihr ignoriertes Gemeinwesen) berichtet Faustmann, als ob dort die Beschädigung einer Wasserleitung oder ein Protest türkischer Zyprer gegen die Aussage eines Beraters des Präsidenten der Türkei, Zypern solle „Überseegebiet“ der Türkei werden (eine Antwort auf das griechische traditionelle Streben nach „Enosis“, durch die Zypern zum Überseegebiet Griechenlands werden soll) im Vordergrund stünde. Der Bericht verdrängt, dass sich die ganze türkisch-zyprische Bevölkerung im Gegensatz zu einer bloßen Minderheit auf griechischer Seite intensiv an den ehrlichen Bemühungen des türkisch-zyprischen Präsidenten und seiner Gefolgschaft um einen Ausgleich mit der griechischen Seite beteiligt. Faustmann erwähnt auch Auswirkungen des Putsches in der Türkei auf Nordzypern die Teilnahme von Türken in Zypern am türkischen Verfassungsreferendum. Als innenpolitisches highlight stellt Faustmann Vorwürfe dar, der türkisch-zyprische Ministerpräsident habe Steuergelder zweckentfremdet.

S. 12 f.

Der weitere Bericht über konservative, „euroskeptische“ und liberale Tendenzen unter türkisch-zyprischen Politikern lässt einen Bezug zum Zypernkonflikt nicht erkennen. Dass die griechisch-zyprischen Bemühungen um einen Enosis-Gedenktag mit der Fortführung der Gespräche der Konfliktparteien schwer vereinbar ist, erwähnt der Bericht als Ansicht des türkisch-zyprischen Außenministers und nicht etwa als eigene Beobachtung. Der Bericht schließt mit der Erwähnung türkisch-zyprischer Streitigkeiten um Gesundheitspolitik und um Rechte von Angestellteneines Komitees für vermisste Personen.

Insgesamt.

Der Sinn der vollständigen Übersicht über den vollständigen und großen Teils auch relativ belanglosen Inhalt des Vortrags erschließt sich aus dem Ergebnis, dass er entgegen seiner Überschrift „Der Zypernkonflikt“ keinen ernsthaften Beitrag zum Verständnis geschweige denn zu einer Beendigung des Zypernkonflikts enthält. Abgesehen davon, dass sich der Autor mit einigen Wendungen zumindest implicite den griechischen Konfliktstandpunkt zu eigen macht, vermeidet er sorgfältig die vollständige Darstellungen konfliktrelevanter Tatsachen und die Diskussion von Gründen, die eine objektive Bewertung der Standpunkte und Interessen der Konfliktparteien ermöglichen könnten. Indem die Friedrich Ebert Stiftung einer derartigen Präsentation eine Plattform gewährt, trägt sie zur Bloßstellung der wenig friedensförderlichen und bestenfalls sterilen Einstellung Deutschlands zum Zypernkonflikt bei.


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