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crh 2014 02 06 / 03 02 /04 07


Griechische Zypernpropaganda in dem autobiographischen Werk
von Andreas Marneros, „Das Doppelherz des Odysseus“, Köln, 2. Aufl. 2013

Greek Propaganda on Cyprus contained in the autobiographical oeuvre
by Andreas Marneros "Das Doppelherz des Odysseus", 2nd Edition 2013
(in German language only)

Von/by Dr. Christian Heinze, München.


1 Andreas Marneros, der 1946 geborene, prominente deutsche Universitätsprofessor zyprisch-hellenischer Herkunft, hat 2011 ein "biographisches Vehikel" (S. 23)für seine "pathetische Liebeserklärung an Deutschland" (S. 25) geschrieben. Das ansprechende Buch beschreibt ihn als modernen Odysseus und Wahldeutschen. Es enthält überzeugende und aufschlußreiche Zeitzeugnisse und Zeitbetrachtungen vornehmlich aus dem griechischen und deutschen Raum der vergangenen 60 Jahre. Beiläufig enthält es auch eine Darstellung des Zypernkonflikts.
2.1 Marneros stellt den griechisch-türkischen Zypernkonflikt als Fortsetzung der Auflehnung des Jahrtausende alten Volkes der christlichen Zyperngriechen gegen eine drei- bis vierhundertjährige türkische Schreckensherrschaft und als Kollateralerscheinung des Freiheitskampfes dieses Volkes gegen britische Unterdrückung dar. In diesem Zusammenhang sollen die blutigen griechisch-türkischen Kämpfe der 1950er Jahre auf der Insel durch Aufhetzung der Zyperntürken gegen die Griechen im Zuge einer englischen Zypernpolitik des „divide et impera“ und das Blutvergießen der Jahre ab 1963 durch türkische Aggression ausgelöst worden sein.
2.2 Tatsächlich besteht der Konflikt in der Unvereinbarkeit des Anspruchs der Zyperngriechen auf Beherrschung und Hellenisierung der um 1960 von ca 80 % Zyperngriechen und ca 18,5 % Zyperntürken bewohnten Insel mit den Interessen der letzteren. Er entstand mit der nationalen Ideologie des 19. Jahrhunderts und verschärfte sich mit der Überlassung der Herrschaft über Zypern durch die Osmanen an England im Jahre 1878. Der Konflikt kulminierte in dem vom griechisch-zyprischen Erzbischof Makarios seit 1950 angeführten und von der griechisch-zyprischen Terror-Organisation EOKA seit 1955 durchgeführten blutigen Aufstand gegen England. Sein Ziel war Ersetzung der englischen Herrschaft durch Anschluß Zyperns an Griechenland. Griechischer Souveränität wollten die türkischen Zyprer jedoch keinesfalls unterworfen sein. Sie wurden daher zum Gegner des griechischen Aufstandes und setzten ihm den Anspruch auf Selbstregierung entgegen. Nach Aufgabe der englischen Souveränität im Jahre 1960 besteht der Konflikt bis heute im Gegensatz des griechischen Herrschafts- und des türkischen Selbstregierungsanspruchs. Auf die Lösung des Konflikts beanspruchen zugleich am östlichen Mittelmeer interessierte Mächte, insbesondere Griechenland, die Türkei England, die Europäische Gemeinschaft und die NATO, aber auch die Vereinten Nationen maßgeblichen Einfluß (Fußnote (1)).
2.3 Auf Seite 636 seines Buches schreibt Marneros, ein Mensch könne als Individuum ohne Kenntnis seiner eigenen Biographie nicht existieren. So sei das auch mit Nationen, mit Völkern, mit Menschen, die sich diachron definieren (müssen). Im deutschen Ahistorismus, den er auf die 60er und 70er Jahre datiert, sieht er (Seite 635) eine neurotische Reaktion auf die Erfahrungen des „Dritten Reichs“.

Mit der Biographie, deren Kenntnis Marneros fordert, kann wohl nur die wirkliche, wahre Geschichte gemeint sein, während Verzerrungen, denen alle Welt immer wieder zum Opfer fällt, in oft schreckliche Desaster führen. Die Biographie von Marneros verdrängt aber die zyprische Geschichte durch einen romantisch-nationalistisch verklärten hellenistischen Traum. Die verzerrte Präsentation historischer Tatsachen aus der Feder eines anerkannten forensischen Gutachters für Psychiatrie und führenden Wissenschaftlers (Fußnote (2)), ist geeignet, politische Lehren zu verschütten, die aus dem Zypernkonflikt gezogen werden müssen, und Bemühungen zur Befriedung des griechisch-türkischen Verhältnisses fehlzuleiten oder zu unterminieren (Fußnote (3)). Sie bedarf daher der Berichtigung, zumal sie der Propaganda gleicht, die Griechen verbreiten. Dazu im Einzelnen (Fußnote (4)):
3.1 Marneros entwirft als Kulisse seiner Vision ein Bild von Jahrtausenden, das geeignet ist, phantasiebegabte humanistisch Vorgebildete voreinzunehmen. Ob allerdings jeder Grieche, wie Marneros andeutet, den Geist eines Homer, Sokrates, Platon, Aristoteles, Alexander des Großen, Hippokrates oder Odysseus oder den Geist von Olympia, Delphi, Konstantinopel und Athos verkörpert (Seiten 19 und 185) und ob 3500 Jahre altes Achäertum in den heutigen Zyprern fortlebt (nahegelegt auf Seite 163), und insbesondere was daraus mit Bezug auf diese Philosophen und alten Helden zu schließen wäre, mag dahinstehen. Gegen das Kulissenbild spricht, daß alle Völker des nahen Ostens im Laufe der Jahrtausende einmal auf Zypern Fuß gefaßt haben (Seite 163 und Fußnote (5)). Aus ihnen hat die griechisch-orthodoxe Kirche besonders während der byzantinischen Herrschaft über die Insel und während der nationalistischen Bewegung des 19. Jahrhunderts ein griechisches Zypernvolk überhaupt erst geschaffen (Fußnote (6)). Die bis heute prägende Integrationswirkung dieser Kirche beruht auf traditioneller Glaubenstreue und ist mit einer für eine Kirche ungewöhnlichen Beherrschung des politischen (Fußnote (7)) und Wirtschaftslebens (Fußnote (8)) verbunden.

Die Geschichte der zyprischen griechisch-orthodoxen Kirche widerlegt das andere von Marneros angedeutete, sogar angeblich von ihm selbst erlebte Schreckensbild, wonach die Türken während dreihundert Jahren nach Eroberung der Insel im Jahre 1571/73 die Griechen brutal verfolgt, massakriert, teilweise zwangsislamisiert, ihre Städte vebrannt und ihre Führer hingerichtet haben (S. 165, 342). Denn im „Millet“-System banden die Osmanen die Kirche bei religiöser Toleranz in ihr Herrschaftssystem ein und setzten sie in die Lage, sich die Jahrhunderte hindurch zu behaupten und - auch durch Ausbeutung ihres eigenen Kirchenvolks - zu prosperieren (Fußnote (9)). Die konkreten türkischen Unterdrückungsmaßnahmen, auf die sich Marneros zum Beleg beruft (Seiten 165, 342), stehen im Zusammenhang einer Kette von zyprischen Aufständen, die zum Teil gerade auf diese Ausbeutung zurückgingen, wegen deren diese sich beim Sultan in Istanbul beschwert hatten (Fußnote (10)). Der gewiß extremen Grausamkeit jedenfalls einer dieser Unterdrückungsmaßnahmen, nämlich der von Marneros Seite 67 f. erwähnten Hinrichtungen von 1821, denen auch der Kopf der griechisch-zyprischen Wiederstandsbewegung, Erzbischof Kyprianos, zum Opfer fiel, stehen die im Zeitalter der Glaubenskämpfe in Zentraleuropa üblichen Brutalitäten kaum nach. Die Unterstellung von Zwangsislamisierungen (Seite 51) ist mit dem Millet-System kaum vereinbar, eher mögen es Steuervorteile gewesen sein, die zu Konversionen Anlaß gaben (Fußnote (11)).

Kaum ein friedliebender Mensch wird ernsthaft aus dieser ganzen Geschichte (wie aus der zentraleuropäischen Geschichte der letzten 500 Jahre) heute fortgeltende Territorial- oder Herrschaftsansprüche herleiten. Dennoch erfordert die griechische Propaganda die vorstehende Erwiderung, denn „es bleibt immer etwas hängen“.
3.2 Aber auch mit dem Bild, das Marneros von der jüngeren Geschichte des Kampfes zwischen Griechen, Engländern und Türken um die Insel entwirft, verfehlt er die Realität bei weitem. So erklärt er bereits nicht näher die angebliche Natur der englischen Herrschaft über Zypern (1878-1960) als ein „Joch“ (Seite 70), das blutigen Terrorismus rechtfertigt. Die Frage dieser Rechtfertigung drängt sich jedoch auf angesichts der Art des englischen Staatsverbandes und ihrer Übereinstimmung mit den Grundlagen der EU, die auch die Zyperngriechen zu ihrer politischen Heimat erkoren haben. Auch unter Berücksichtigung weitgehender Einschränkung von Bürgerrechten und Lasten (Fußnote (12)) stellt sich die Frage angesichts der Einbeziehung der Zyprer in die Kultur und den Handel und Wandel Englands, wo sie sich ausbilden und bilden lassen (Seite 99) und wohin sie massenhaft auswandern konnten (Fußnote (13)), und angesichts vorteilhafter Entwicklungen während der Fremdherrschaft über die Insel, die sie ohne diese kaum so bald genossen hätten (Fußnote (14)). Wäre die Türkenherrschaft so durchaus schrecklich gewesen, hätte dann die Regierungsübernahme Englands seit 1879 nicht als Befreiung (so Marneros Seite 69) statt als Joch empfunden werden müssen ?

Konkret nennt Marneros als britische Unterdrückungsmaßnahmen die Einführung von Ausweisen mit Fingerabdrücken (Seite 71), die Bestrafungen von Bekenntnissen zum Partisanenkampf durch Hissen der griechischen Fahne (Seite 35; Marneros wird dadurch Seite 76 an den Zwang Wiener Juden durch SA erinnert, auf den Knien die Straße zu säubern) und jahrelange Verhaftungen sowie Hinrichtungen von Befreiungskämpfern (z.B. Seite 74 f.). So zweifelhaft die Verhältnismäßigkeit dieser englischen Maßnahmen erscheinen mag, führt Marneros in die Irre, indem er verschweigt, daß das britische Vorgehen der Abwehr eines brutalen Partisanen-Terrorismus diente, den der griechisch-zyprische Oberst Grivas ab 1955 auf der Insel organisiert hat. Damit sollte die Forderung des Anschlusses Zyperns an Griechenland gewaltsam gegen den Willen Englands durchgesetzt werden (Fußnote (15)). Marneros verschweigt insbesondere, daß die Grivas- Organisation (die „EOKA“) hunderte englischer und türkischer Soldaten, Polizisten und Zivilisten meuchlings ermordet und hunderte türkischer Häuser zerstört hat (Fußnote (19). Der Partisanen-Unterführer Nicos Sampson, unter dessen Kommando mehr als 20 Meuchelmorde verübt worden sind (Fußnote (20)), ist für Marneros insoweit heldenhafter Freiheitskämpfer und mutiert erst nach Verbündung mit festlandgriechischen Militärputschisten zum Psychopathen (Seite 129, 163). Die wegen ihrer Friedlichkeit, Toleranz und Weltoffenheit von Marneros (auf Seite 522) gelobte zyprische Geistlichkeit und die zyprische Lehrerschaft hat hellenistisch-nationalistische Begeisterung für diesen Kampf seit Jahrzehnten gepflegt, und der 1950 gewählte charismatische Erzbischof Makarios hat sie ihrem gewaltsamen Höhepunkt zugeführt (Fußnote (16)). Auch Marneros ist von ihr erfaßt (Fußnote (17)). Als Ergebnis unterstützten Volk, Priester und Mönche den EOKA- Untergrundkampf aktiv (Fußnote (18)).
3.3.1 Was insbesondere den Zypernkonflikt zwischen Griechen und Türken betrifft, verhindert die Darstellung von Marneros eine zutreffende Würdigung vor allem durch Ausblendung des Umstandes, daß die (durch Gewalteinsatz verstärkte und nach Seite 129 von Griechenland militärisch unterstützte) Anschlußforderung der Makarios-Bewegung den Anspruch auf griechische Herrschaft über die Zyperntürken einschloß. Es ist aber dieser Anspruch, der noch heute - seit 1960 auch losgelöst von der Anschlußforderung - den Konflikt beherrscht. Dieses Verschweigen täuscht darüber hinweg, daß Gewalt bewußt und gewollt von griechischer Seite als Konfliktfaktor initiiert und instrumentalisiert wurde und wird, während sie auf türkischer Seite der Verteidigung dient (Fußnote (21)). Es täuscht aber auch darüber hinweg, daß dem Widerstand der Zyperntürken gegen griechische Herrschaft dasselbe Motiv zugrunde liegt wie dem griechischen Freiheitskampf gegen England, nämlich die Forderung nach Selbstregierung, wobei das türkische Motiv angesichts der Feindseligkeit, die in der griechischen Strangulierungspolitik gegen die Zyperntürken seit 1963 zur Wirkung kommt (Fußnote (22)), mehr einleuchtet als das griechische. Damit erledigt sich das große Gewicht, das Marneros dem englischen „Herrschen durch Teilen“, nämlich durch Aufhetzung „fanatisierter und ultranationalistischer“ Zyperntürken zu verbrecherischem Treiben (als Polizisten in der Abwehr eines hinterhältigen Terrorismus) beimißt (Seite 53 f., 165, 459).
3.3.2 Ob der griechische Kampf um Anschluß an Griechenland (nur auf ihn richtete sich der „Befreiung“-Gedanke), wie Marneros behauptet (Seite 87, 219) wirklich siegreich war, mag dahinstehen (Fußnote (23). Jedenfalls entschloß sich England, die Gründung eines weitgehend selbständigen zyprischen Staates bei Überlassung von Militärbasen auf der Insel als englisches Hoheitsgebiet zu akzeptieren. Die türkischen Zyprer widersetzten sich aber dem Anspruch auf griechische Herrschaft mit demselben Recht, mit dem sich die griechischen Zyprer der englischen Herrschaft widersetzt hatten. Gegen territoriale Teilung der Insel sprach entscheidend, daß Griechen und Türken verstreut in allen ihren Teilen siedelten. Die zyprischen Türken waren bereit, bei Einräumung besonderer Verfassungsrechte zur Wahrung ihrer Selbstregierungsinteressen eine gewisse griechische Vormachtstellung zu akzeptieren. Die griechischen Zyprer erkauften diese Akzeptanz mit der Zustimmung zu solchen Sonderrechten. Ergebnis war der Versuch einer Staatsgründung durch die Verträge und Verfassunggebung von 1959/60 (Fußnote (24)). Aber alsbald erklärte die griechische Führung, sie halte an ihren Zielen fest, die unbeschränkte Herrschaft über die Insel einschlossen (Fußnote (25)). Mit dieser verfassungsfeindlichen Politik gaben sie auch zu verstehen, daß sie die Vereinbarungen und die Verfassung nur zum Schein unterschrieben hatten. Etwa Anfang 1963 beschwor die griechisch-zyprische Führung den zunächst geheimen „Akritas“-Plan für die Außerkraftsetzung des Arrangements von 1959/60, in dem es heißt:

„… if, in case of spontaneous resistance by the Turks, our counter-attack is not immediate, we … will then be in danger of losing vast areas of vital importance to the Turks, while if we show our strength to the Turks immediately and forcefully, then they will probably be brought to their senses and restrict their activities…“ (Fußnote (26)).

Der Plan dient der Umsetzung der von Makarios und Grivas 1950 propagierten und mit allen Mitteln verfolgten Politik. Bereits im Februar hatte Makarios seine Weigerung erklärt, griechischen Interessen zuwiderlaufende Urteile des Zyprischen Verfassungsgerichts zu achten; ein solches Urteil erging im April, der Gerichtspräsident trat Ende Mai 1963 zurück (Fußnote (27)). Dieser Hüter der Verfassung war damit ausgeschaltet, der Verfassungsrechtler erkennt hierin wenn nicht die Offenbarung des Scheiterns des Staatsgründungsversuchs von 1960 den Beginn ie Einleitung eines von Teilen der Regierung vorgetragenen Staatsstreichs.
3.3.3 Die Makarios-Kirchen- und EOKA-Bewegung und die griechischen Vertrauens- und Vertragsbrüche seit 1960 kommen im Buch von Marneros nicht vor, vielmehr erscheint Makarios als Held, für den auch türkischer Respekt zu fordern sei (Seite 517). Marneros begnügt sich mit dem Bericht, daß am 1.4.1955 prohellenistische Parolen an den Wänden Zyperns gestanden haben (Seite 69), und mit der Verkleidung des griechischen Verfassungsbruchs als Funktionsmangel der Verfassung (Seite 88). Das durch 127 (bis auf 2 Fälle einstimmig) vom Verfassungsgericht zwischen 6.12.1960 und 25.4.1963 erledigte Streitsachen manifestierte Funktionieren der Verfassung von 1960 (Fußnote (28)) wird ignoriert. Stattdessen enthält das Buch eine besondere Zumutung mit der Behauptung, die Türken hätten den 1963 beginnenden Bürgerkrieg angezettelt (Seite 88, 165). In Wahrheit hatte Makarios am 29.11.1963 dem türkisch-zyprischen Vizepräsidenten den „Vorschlag“ zugestellt, die wichtigsten türkischen Verfassungsrechte abzuschaffen (Fußnote (29). Zu Weihnachten begannen bewaffnete, organisierte und gründlich vorbereitete und „motivierte“ irreguläre griechische Kräfte auf der ganzen Insel den türkischen Widerstand gegen die Abschaffung ihrer Rechte planmäßig zu brechen. Die türkischen Zyprer, die sich angesichts der unverhohlenen Absichten der Griechen zu einer bescheidenen Ausrüstung von Widerstandskämpfen gezwungen gesehen hatten, leisteten Widerstand und in den Wochen seit Dezember 1963 zogen sich 30.000 Türken aus 103 Dörfern in größeren Enklaven zusammen (Fußnote (30)). Jene griechische paramilitärische Organisation und die Unterstützung, die sie alsbald durch die Vereinten Nationen und die Großmächte fand, ermöglichte es der griechischen Führung, den Akritasplan außerhalb der türkischen Enklaven umzusetzen und diese in einen Belagerungszustand zu versetzen. In mehreren Gesetzgebungsakten von 1964 setzten die Zyperngriechen ihren eigenen Staat an die Stelle des bikommunalen Gemeinwesens, das mit der Verfassung von 1960 geplant war (Fußnote (31)).
3.4 Die im Sommer 1974 durch den Versuch einer in Griechenland an die Macht gelangten Diktatur zur gewaltsamen Annektion Zyperns veränderte internationale Stimmung versetzte die Türkei in die Lage, durch militärische Intervention (Invasion der Insel) das nördliche Drittel der Insel der griechischen Beherrschung zu entziehen. (Die türkische Militärpräsenz auf der Insel soll gegenwärtig rund 35.000 Mann umfassen.) Marneros lenkt davon ab, daß die Migration der Zyperntürken aus dem Inselsüden eine Flucht vor griechischer Vorherrschaft in ein Gebiet darstellte, in dem sie sich in Freiheit selbst verwalten konnten. In den Verträgen von 1959/60 ist das Recht der Türkei verbrieft, in Zypern zur Wiederherstellung der vereinbarten Lage zu intervenieren. Die volle Wiederherstellung scheiterte jedoch an der Verweigerung der vereinbarten griechischen Kooperation. Daher war die türkische Intervention gerechtfertigt, weil sie wenigstens den wichtigsten Teil einer Lage wiederhergestellt, die den durch die griechische Seite gebrochenen Vereinbarungen von 1959/60 zum Schutz der Zyperntürken entsprach, nämlich die Einrichtung eines Staatswesens, das die Grundrechte der türkischen Zyprer wirksam schützte. Die Territorialverteilung von 1974 (und nicht die Intervention der UN) stellte den von den Griechen seit 1950 gestörten Frieden auf der Insel wieder her und hat ihn bis heute erhalten, indem sich der fortbestehende griechische Vorherrschaftsanspruch (trotz de facto Unterstützung durch „den Westen“) jedenfalls nicht unmittelbar gewaltsam zur Geltung bringen kann. Die erzwungene Flucht der Zyperngriechen aus dem Norden in den Süden hatte auch zur Folge, daß sie sich dort ihren alten und intensiv verfolgten politischen Zielen entsprechend ohne Beeinträchtigung durch türkische Mitbestimmungsforderungen regieren konnten.
3.5 Die Zuweisung einer Hauptschuld am Bürgerkrieg von 1963 und damit an der Teilung der Insel an die türkische Seite und an die englische Regierung sowie an anonyme „ausländische“ Mächte (Seite 56 f., insbesondere die USA, Seite 118, 129) oder „irgendwelche“ Spielball-Politiker und -Generäle (Seite 89) nebst Verharmlosung der zyprischen Griechenführer als „Marionetten“ (Seite 89) ist seit Bekanntwerden des Akritasplans und seiner Autoren als haltlos entlarvt. Die von Makarios seit 1950 betriebenen, von der Kirche und der griechischen Bevölkerung teilweise mit blutiger Gewalt getragene Politik der Hellenisierung Zyperns ist als Ursache während der Jahrhunderte wiederholten Blutvergießens, des Bürgerkriegs von 1963 ff., der türkische Invasion von 1974 und der Spaltung und Teilung Zyperns identifiziert (Fußnote (32)).
3.6 Marneros wirft den Zyperntürken vor, unzählige Blutbäder (S. 165) und schreckliche Verbrechen (S. 53, 153) an Griechen angerichtet und verübt zu haben und behauptet, Türken hätten anläßlich der türkischen Invasion von 1974 Massenvergewaltigungen (Seite 164) begangen. Für diese horrenden Vorwürfe zitiert das Buch nicht einen einzigen Beleg. Gewalt hat es zwar zwischen 1955 und 1974 reichlich gegeben, beide Seiten haben sich dabei vielleicht wenig nachgegeben (Fußnote (33)). Aber die Behauptung von Massenvergewaltigung durch das türkische Militär, von der in der gesamten auch antitürkischen aber seriösen internationalen Presse von 1974 nicht die Rede ist, ohne jeden Ansatz eines Beleges ist schlicht infam. Mit der Behauptung des Diebstahls religiöser Opfer durch Soldaten (Seite 463 f.) dürfte es sich nicht viel anders verhalten.
4 Das Marneros’sche - gelinde ausgedrückt - Unverständnis wirft die Frage auf, inwieweit im (insbesondere intellektuellen) Publikum mit ähnlichen Irrtümern gerechnet werden muß, die geeignet sind, die politische Meinungs- und Willensbildung zu bestimmen. Denn von Irrtümern ist auszugehen, sofern es sich bei der Konfliktdarstellung durch Marneros nicht um eine List (wie sie zu den legendären Eigenschaften des Odysseus gehört) handeln sollte, die durch große Offenheit der gesamten Selbstdarstellung superlistig verborgen wäre. Jedenfalls betrifft die durchaus verbreitete Verständnislosigkeit das territorial definierte Gewaltmonopol einer legitimen Staatsregierung als Friedensvoraussetzung. Vernachlässigung der Gewalmonopol- und Legitimitätsbedingungen ist eine der Ursachen des Versagens des zyprischen Lösungsversuchs von 1959/60. Durchbrechung des Monopols schließt Frieden aus, solange keine neue dauerhaft funktionsfähige Staatsmacht errichtet wird (die gegenwärtige Welt ist voll von Beispielen). Die griechisch-zyprischen Revolten von 1955-1958 und 1963 ff. waren auf Aufhebung oder Vereitelung einer Staatsmacht gerichtet. Befrieden konnten sie die Insel nur, wenn sie entweder den Anspruch unbeschränkter griechischer Herrschaft über die Insel (die türkische Seite vertritt keinen entsprechenden Anspruch) oder die dauerhaft wirksame Gewährleistung sowohl türkisch-zyprischer als auch griechisch-zyprischer Selbstbestimmung (sei es in Gestalt eines „Mutterland“-Anschlusses) herbeigeführt hätten. Das zweite Ziel widersprach der Absicht dieser Revolten, die Verfolgung des ersten war und ist angesichts der Macht der einschlägigen Tatsachen- und Interessenlage verantwortungslos. Diese politische Logik wiegt schwerer als die durchaus offene, vom Verfasser dieser Anmerkungen bejahte Frage, ob die Teilung als Ergebnis revolutionärer Veränderungen eine (jedenfalls im Ergebnis) rechtmäßige Rechtsänderung darstellt.
5 Entsprechend allem Vorstehenden ist den in der Autobiographie von Marneros enthaltenen Anmerkungen zum Zypernkonflikt wenig konstruktives zu entnehmen. Zwar widerspricht seine Darstellung der beiden zyprischen Volksgruppen als jahrhundertealte verhasste Feinde (Seite 342 f.) nicht nur den historischen Tatsachen sondern auch den eigenen Darstellungen von Marneros (Seiten 52-56). Doch beschränkt sich sein Verständnis im übrigen auf die spannungsgeneigten Unterschiede zwischen den Volksgruppen und die Wahrnehmung alles Türkischen als fremd (Seiten 450 ff.) und daher - bis hin zum Baustil der Moscheen - als Barbarei (453 ff.). Für Marneros bedeutet die Gegenwart der Festlandtürkei auf Zypern nichts als Freiheitsbeschränkung (Seiten 452, 458, 461) sowie alles konfliktbedingte Leiden der Zyperngriechen nichts als Demütigung und Grund für Wut und Zorn (Seiten 453 ff., 463). Seine Forderung „nationaler“ Einheit (Seite 514 - auf Seite 460 versteht er noch Primitivismus-Euphemismus- Nationalismus als Steigerung) kann mit seiner Feststellung des Vorhandenseins von zwei Völkern („Identitäten“) auf der Insel (Seite 342 f.) nur in Einklang gebracht werden, wenn man sie entweder im Sinne griechischer Vorherrschaft oder als Zweistaatenlösung versteht. Die Verkörperung aller vorstehend erwähnten Aspekte türkischer Interessen und Rechte in der Politik, in den Forderungen und in der Person von Rauf Denktas, dem Führer der türkischen Zyprer seit den 1950er Jahren verschafft diesem in den Augen von Marneros keine anderen Eigenschaften als Starrsinn und Senilität und keine anderen Titel als die eines Unterdrückers und Faschisten (Seite 458). Für den prominenten Kommentator des Zypernkonflikts Marneros ist der Norden nichts anderes als ein besetzter und der Süden nichts anderes als ein freier Teil der Insel (Seite 447), und es gibt für ihn kein anderes Vereinigungshindernis als türkischen Nationalismus (Seite 452). Für die politischen Bedingungen eines zyprischen Friedens fehlt ihm jeglicher Sinn.>
Fußnoten
(1) Zur gründlichen Würdigung des Konflikts bedarf es des Rückgriffs auf eine geeignete Auswahl aus überaus zahlreichen, teilweise umfangreichen einschlägigen Veröffentlichungen. Ein zutreffendes Gesamtbild kann aus den Werken von Ludwig Dischler, „Die Zypernfrage“, Frankfurt und Berlin 1960; Richard A. Patrick, „Political Geography and the Cyprus Conflict: 1963-1971“, Waterloo 1976; Nancy Crawshaw, „The Cyprus Revolt“, London 1978; John Reddaway, „Burdened with Cyprus“, Nicosia 1986; Münir Ertekün, „The Cyprus Dispute“, 2. Aufl. 1984; Pavlos Tzermias, „Geschichte der Republik Zypern“, Tübingen 1991, sowie Stefan Talmon, „Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten“, Tübingen 2006 gewonnen werden.

(2) Die Bedeutung von Andreas Marneros ergibt sich aus seiner Biographie, vgl. insbesondere Seiten 214, 338 und 437 ff (Ehrendoktortitel). Als forensischer Psychiater, der sich nach Seite 569 f. berufen sieht, „ins innerste der Herzen zu dringen und die verborgensten Triebfedern der Verkehrtheit auszuspähen“ (Zitat Johann Christian Reil), wurde auch er nach S. 508 der Biographie als „unantastbare Instanz“, als „Richter in Weiß“ ahrgenommen. Marneros ist auch bekannt durch sein Werk „Hitlers Urenkel. Rechtsradikale Gewalttäter - Erfahrungen eines wahldeutschen Gerichtsgutachters“, Bern, 2001; siehe dazu Seite 496 ff. mit Hinweisen auf Danksagungen von Gerhard Schröder, Johannes Rau, Kurt Biedenkopf, Edmund Stoiber, Angela Merkel, Otto Schily.

(3) Vgl. dazu meine homepage-Diskussionsbeiträge http://cy.pro-re-publica.de.

(4) Hervorzuheben ist, daß die folgenden Anmerkungen sich auf das nähere Umfeld der von Marneros gewählten Einzelthemen des Zypernkonflikts sowie auf diejenigen von ihm übergangenen Themen beschränken, die für ein zutreffendes Verständnis des Konflikts unerläßlich sind. Das ergibt lediglich einen Ausschnitt aus einer Gesamtwürdigung, wie sie gemäß Fußnote (1) zu gewinnen wäre. Die umfangreiche Konfliktliteratur enthält viele zusätzliche und manchmal geeignetere Belege für die in der vorliegenden Anmerkungen geltend gemachten Tatsachen.

(5) Vgl. nur Pavlos Tzermias, aaO. S. 4-7, oder auch Al Din Muquadasi (985) nach Claude Delaval Cobham, „Excerpta Cypria“, Cambridge 1908, S. 5 „The island is in the power of whichever nation is overlord in these seas”, ferner etwa Nancy Crawshaw, aaO. Seite 17-20. „Die ... ethnisch stark heterogene zyprische Bevölkerung ... behinderte ebenso wie die Binnenlage der Insel im Einflußbereich der Nachbarreiche deren weitere Kolonisation aus Griechenland“, Peter Zervakis, „Historische Grundlagen“, in: Grothusen und andere (Hrsg.), Zypern, Südosteuropa-Handbuch Bd. VIII, Göttingen 1998, S. 41.

(6) Ein homogenes griechisch-zyprisches Volk bildete sich nach Tzermias aaO. (Fußnote (4), Seiten 7-9) in byzantinischer Zeit in Abgrenzung gegen die mohammedanischen Araber, gegen Rom und gegen die Franken, und (Seiten 14 ff.) in osmanischer Zeit in Abgrenzung gegen die Türken und im 19. Jahrhundert durch Identifikation mit dem griechischen Freiheitskampf.

(7) „Das Erzbistum Zypern versteht sich seit dem 19. Jahrhundert ... als Vollstrecker der politischen Ideologie der Enosis, die den Hellenismus der Insel durch Anschluß an Griechenland zu sichern sucht“, Friedrich Heyer und Andreas Müller, „Kirchen und Religionsgemeinschaften“, in: Grothusen und andere, aaO. (Fußnote 5), S. 682. Diese „Vollstreckung“ kulminierte in der Verbündung der Kirche mit den griechischen Putschisten, die den Anschluß 1974 gewaltsamen Anschluß der Insel an Griechenland erneut gewaltsam betrieben; aaO. S. 684.

(8) „Denn die Kirche ist auf Zypern auch ein Mischkonzern, der Anteile an der Bierbrauerei Keo hält, am Fernsehsender Mega TV, an der Vassiliko-Zementfabrik, an Hotels und Apartments und an der Hellenic Bank. Dazu ist die Kirche der größte Grundbesitzer des Landes. Den Wert all ihrer Besitztümer beziffert sie auf derzeit 2,4 Milliarden Euro.“ So Stefan Schultz in: Spiegel online, 10.4.2013 http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zyperns-orthodoxe-kirche- forciert-den-euro-austritt-a-892784.html.

(9) Dazu ausführlich Zervakis, aaO. S. 55 ff. und S. 61: „Die Vertreter der zyprischen Kirche setzten ... in den einzelnen Pfarrgemeiden die Höhe der Steuern für die Orthodoxen fest“. Vgl. auch Tzermias, aaO. S. 14 f., der über Auslieferung der zyprischen Bauern an die „unersättliche Gier sowohl des türkischen Gouverneurs als auch des hohen geistlichen Klerus“ berichtet.

(10) So nach Zervakis, aaO. S. 61, die Rebellionen von 1764, 1783 und 1804.

(11) Zervakis, aaO. S. 57.

(12) Ludwig Dischler, aaO., S. 11 f., 15 ff., 33 ff.; Tzermias, aaO. S. 31 f.

(13) Die Zahl der zyprischen Auswanderer nach Großbritannien betrug nach Constantinou, „Economic Factors and Political Upheavals as Determinants of International Migration“, Nicosia 1960, zit. nach Hansjörg Brey, Bevölkerungsstruktur“, in: Grothusen und andere (Hrsg.), aaO. S. 494, in 1955 4469, in 1956 5233, in 1957 4702, in 1958 4579, in 1959 5809 und in 1960 13534.

(14) Tzermias aaO. S. 29. Siehe auch John Reddaway, „Burdened with Cyprus”, Nicosia 1986, S. 37 f. Die Bevölkerung Zyperns nahm nach L.W. John-Jones, „The population of Cyprus“, London 1983, zit. nach Brey, aaO. S. 490 unter britischer Verwaltung um jährlich mehr als 10 % zu.

(15) Ausführlich Zervakis aaO. S. 86 ff. und Charles Foley (Ed.), “The Memoirs of General Grivas”, London 1964.

(16) Siehe Crawshaw, aaO. S. 48 ff.

(17) Marneros stellt Seite 74 dar, wie er als junger Mann „mit funkelnden Augen“ den verbotenen Reden in der Kirche und in der Schule über Freiheit, Kampf, Tugend, Tapferkeit, Gerechtigkeit und griechisch-christliche Ideale gelauscht hat, die Stolz und Feuer in seiner Brust und bei seinen (militärbemützten - siehe Bild Seite 91) Kameraden erweckt haben. Vgl. auch den Bericht auf Seite 81 über die Verteidigung der jungen, „konspirativ arbeitenden“ griechischen Freiheitskämpfer durch einen Priester in der Kirche und auf Seite 82 über die bewegende Verbindung von Spiritualität und Freiheitskampf. Marneros schreibt Seite 66, daß Romantik und Idealismus, die mit dem Befreiungskampf gegen die Engländer verbunden waren, „maßgeblich zur Prägung“ seiner gesamten Persönlichkeit“ beigetragen haben, und auf Seite 71, daß in seinem Kopf und in seinem Herzen Romantik, Stolz und Rausch und „das Ethos des Kampfes zwischen diesem David und diesem Goliath nichts an Romantik und Idealismus verloren“ haben. Ganz richtig bemerkt er dazu Seite 73 auch, daß ein Befreiungskampf „selbst Ideale und Emotionen erzeugt und ituationen und Einstellungen prägt. Bei Menschen, die in so einer emotional ufwühlenden Situation heranwachsen, prägt er Charakter und Persönlichkeit.“ Darum gehe es in seinem Buch. Dazu paßt der Tenor des 1962 vom Rektor des panzyprischen Gymnasiums C. Spyridakis PhD verfaßten Pamphlets „A Survey of the History of Cyprus“, die der Rechtfertigung der „dynamic campaign“ der EOKA „for the sacred cause of the Cypriots“ gewidmet ist (S.20). Türken kommen darin lediglich als Besatzer während einer Periode vor, die durch Bevölkerungsabnahme, Heuschrecken, Erdbeben und Epidemien geprägt gewesen sein soll (S. 17). Sie läßt zusammen mit den Aussagen auf Seite 19 des Buchs von Marneros vermuten, wie der von diesem gemäß Seite 104 seines hier besprochenen Werks in der Konfliktzeit initiierte Unterricht in griechischer Geschichte an einem zyprischen Gymnasium ausgesehen hat.

(18) Siehe z.B. Crawshaw, aaO. Kapitel IX.

(19) Siehe etwa Patrick, aaO. S. 7 oder Ertekün, aaO. S. 4. Ausführliche Beschreibungen von Meuchelmorden der EOKA finden sich in der Fußnote (15) zitierten Grivas-Biographie auf Seiten 101 ff., wo auch von 20 tödlichen Heckenschützenattentaten unter Führung von Nicos Sampson berichtet wird, denen der Tatort in Nicosia den Namen „Murder Mile“ verdankt. In der Biographie von Marneros liest man dazu auf Seite 74 die Auffassung, Hinterhalt sei die einzige Möglichkeit gewesen, nachdem ein Referendum nicht zur Kenntnis genommen wurde.

(20) Siehe Fußnote (19).

(21) Patrick, aaO. S. 28; Talmon, aaO. S. 12.

(22) Talmon, aaO. S. 19 f. berichtet von sprachlicher Diskriminierung, irtschaftsblockade und Freizügigkeitsbeschränkungen. Hinzu kommt eine auf lückenlose menschliche und politische Isolierung angelegte griechische Politik, der es gelungen ist, die Organisation der Vereinten Nationen und der europäischen Union zu instrumentalisieren, während sie zugleich mit Marneros (S. 56) internationale Einflüsse anklagt.

(23) Der britische Gouverneur Feldmarschall Harding war 1957 - als ca 30.000 britischen Soldaten (nach Crawshaw aaO. S. 349 40.000 „securitys forces“) in Zypern stationiert waren - der Meinung, der Grivasterror sei beherrscht oder könne bei ausreichendem politischen Willen beherrscht werden; siehe Robert Holland, „Britain and the Revolt in Cyprus 1954-1959“, New York 1998, S.175, 207 ff.

(24) „Cyprus - Presented to Parliament by the Secretary of State for the Colonies, the Secretary of State for Foreign Affairs and the Minister of Defence by Command of Her Majesty”, July 1960, Her Majesty’ Stationery Office, Cmnd 1093.

(25) „An independent state did not satisfy the aspirations of the Greek- Cypriot community so they maintained their goal of enosis“, Patrick, aaO., S. 21. Eine große Zahl unmißverständlicher Erklärungen von Makarios, Tassos Papadopoulos und Spyros Kyprianou vor und nach 1960, die das unveränderte Ziel des Anschlusses an Griechenland oder der Hellenisierung Zyperns beschwören, sind abgedruckt bei Reddaway, aaO. S. 73-75 und 192-198 sowie bei Ertekün, aaO. S. 163 f.

(26) Der Plan wurde im Jahr 1963 von drei griechischzyprischen Ministern und griechischen Armeeoffizieren entworfen und von Makarios gebilligt; siehe Reddaway, aaO. S. 199 ff., 131 f.; siehe auch Glafkos Clerides, Cyprus, „My Deposition“, Band I, Nicosia, 1989. Weitere Inhalte des Plans: Die Vereinbarungen von 1959/60 seien erzwungen und entsprechen nicht dem Willen ihrer Partner (gleichhzeitig heißt es jedoch, „das Volk“ hätte ihnen 1959 zugestimmt); ihre Revision sei für die Partner exitenznotwendig; de facto Nichtigkeit der Vereinbarungen und insbesondere des dazugehörigen Garantievertrages müsse „achieved“ werden, damit „das Volk“ vollkommen frei entscheiden kann und (sonst gerechtfertigte) ausländische Interventionen abwehren darf; „unsere Organisation“ muß gestärkt werden, so daß sie zu einem sofortigen inselweiten „Gegenangriff“ in der Lage ist.

(27) Sog. „Municipalities Cases“, Entscheidungen vom 25. April 1963 (Cases No. 10 and 11/63), “Reports of Cases decided by the Supreme Constitutional Court of Cyprus”, 1963, Band 5 S. 59 ff. und 102 ff. Siehe dazu H. D. Purcell, “Cyprus”, London 1969, S. 316 ff.; Talmon, aaO. S. 16; Tozun Bahceli, „Domestic Political Development”, in Grothusen (Hrsg.), aaO. S. 101. 12). Schon vor der Gerichtsentscheidung hatte Makarios in einem Interview für den „Sunday Express“ (veröffentlicht in „Cyprus Mail“, einer in Nikosia erscheinenden englischsprachigen Tageszeitung) vom 12. Februar 1963 dahin geäußert, daß er seinen Plänen zuwiderlaufende Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht anerkennen werde. Makarios war der Meinung, da das Volk der Verfassung von 1960 nicht zugestimmt habe, sei quasi die verfassunggebende Gewalt bei ihm verblieben; dem entsprach seine Erklärung vom Mai 1959, er habe die Zypernverträge nur für sich und nicht für „das Volk“ unterschrieben; siehe Clerides aaO. S. 134, 80.

(28) Reports of Cases (siehe Fußnote 27), 1961-1963, 5 Bände.

(29) Clerides, aaO. Band 1 S. 176-193.

(30) The Greek Cypriots had „decided to force the Turk-Cypriots into allowing enosis through the use of armed, economic and political coercion”, Patrick aaO. S. 21; in December” 1963 “the Greeks launched a major attack on the Nicosia Turks” Crawshaw 366; eine eingehende Darstellung zu dieser Aktion findet sich bei Patrick, aaO. S. 49 ff. Vgl. Auch Reddaway, aaO. S. 146 f.; Ertekün aaO. S. 11.

(31) Im einzelnen: http://cy.pro-re-publica.de/Zypern-EU-Rechtsgutachten.php Abschn. B I 1 mit http://cy.pro-re-publica.de/ErtekuenAppendix.php.

(32) Selbst in der griechisch-zyprischen Presse wird seit einigen Jahren das griechische akritasplanmäßige Vorgehen als Ursache der Spaltung gegeißelt, siehe beispielsweise die Aufsätze in „Cyprus Mail“ vom 22. Dezember 2013 von Loucas Charalambous http://cyprus-mail.com/2013/12/22/fifty-years-later-we- still-dont-accept-what-we-did-in-1963 und Elias Hazou http://cyprus-mail.com/2013/12/22/1963-is-still-a-historical- minefield. Abwegig ist daher die Andeutung einer Ähnlichkeit der zyprischen mit der deutschen Teilung auf Seiten 21, 129, 223 und - tränenreich - Seite 219, durch die um Sympathie für den griechischen Vereinigungs-, sprich Vorherrschaftsanspruch geworben wird. Selbst Marneros spricht auf Seite 57 einmal von „eigener“ (griechischer) Verantwortung für Nationalismus, Beschränktheit, Intoleranz und Barbarei, wobei allerdings offen bleibt, wer eigentlich gemeint ist.

(33) Vgl. nur Purcell, aaO. S. 326 ff. Ein Großteil der Opfer griechischer Gewalt waren Zyperngriechen, die sich den Forderungen anderer Zyperngriechen widersetzten.


Post scriptum:


Die vorstehenden Anmerkungen waren ursprünglich als "Rezension" bezeichnet. Am Tage der Einstellung dieser "Rezension" in das Internet kam daher folgender Briefwechsel zustande (26.2. bis 3.3.2014), den ich auf Wunsch von Herrn Professor Marneros hier wiedergebe:

1. Dr. Heinze an Professor Marneros:

Sehr geehrter Herr Professor Marneros,

von meiner anliegenden Rezension sollen Sie nicht von dritter Seite zufällig erfahren. Ich schicke sie Ihnen daher hiermit. Es wird Sie vielleicht nicht sonderlich interessieren, aber ich möchte für alle Fälle hinzufügen, daß ich Ihren die Revolte der griechischen Zyprer gegen die Engländer nebst gewissen antitürkischen Implikationen betreffenden Gefühlen während Ihrer in Zypern und Griechenland verbrachten Jugendzeit im Hinblick auf die Ihre Umgebung damals prägenden Einwirkungen mit einem gewissen Verständnis begegne.

Mit freundlichen Grüßen Christian Heinze

2. Professor Marneros an Dr. Heinze:

Sehr geehrte Herr Dr. Heinze,

Ist das mein Buch, das Sie da "rezensieren". Das kenne ich so nicht!

Mit freundlichen Grüßen Andreas Marneros

3. Dr. Heinze an Professor Marneros:

Sehr geehrter Herr Professor,

alle Stellen Ihres Werks, die ich "rezensiert" habe, sind in der Rezension durch Angabe der Seitenzahlen genannt. Ich habe im "Doppelherzen" keine anderen Aussagen zu den an diesen Stellen behandelten Themen gefunden. Sollte ich etwas übersehen haben, bin ich gern zu Ergänzungen bereit.

Mit freundlichen Grüßen Christian Heinze

4. Professor Marneros an Dr. Heinze:

Sehr geehrter Herr Dr. Heinze,

vielen Dank für Ihre Mühe. Ich denke aber, dass der Geist dieses Buches ein anderer ist: "Die pathetische Liebeserklärung an Deutschland". Es wäre Großartig, wenn Sie meine beiden Emails in Ihrer Rezension integrieren könnten. Danke.

Mit freundlichen Grüßen Ihr Andreas Marneros

5. Professor Marneros an Dr. Heinze:

Sehr geehrte Herr Dr. Heinze,

Vielen Dank. ....Es mag sein, dass Sie mit der populären Propaganda Recht haben. Aber der Sinn dieser wenigen Seiten war wiederzugeben, wie ein Kind die damalige Ereignisse erlebte und was für eine Wirkung auf der kindlichen Psyche hatten. Und dann die emotionalen - nicht die rationalen -Reaktionen auf der geteilten Heimat die man trifft nach Jahrzehnten von Abwesenheit. Übrigens, dachte ich, dass ich mit zwar subtilen und etwas philosophierenden Bemerkungen von jeglichen Propaganda mich distanzierte. Aber weil diese Seiten mir nicht so wichtig erschienen - im Vergleich zu der Botschaft des Buches , also der "pathetischen Liebeserklärung an Deutschland"- habe ich offensichtlich nicht darauf genug geachtet, dass auch für jeden diese Distanzierung sichtbar werden konnte. Ich habe mich auf die Meinung eines Türkischen Journalisten, den ich sehr schätze, verlassen, dem ich die entsprechenden Seiten zum Thema "Griechen/Türken" bzw. "Christen/Moslems" vor der Veröffentlichung geschickt habe, die er sehr positiv kommentierte (er wollte sogar einen Film daraus machen; übrigens ein Film von meinem Besuch mit meinen Türkischen Freunde auf Zypern wurde von ARTE 2004 ausgestrahlt). Aber es gilt auch dafür die Wahrnemungs- und Deutungsfreiheit jedes Menschen. ....

Mit freundlichen Grüßen Ihr Andreas Marneros

* * *

Richtig ist, daß die vorstehenden Anmerkungen allenfalls als Teilrezension des Buchs von Marneros gelten können. Es handelt sich vielmehr um eine Auseinandersetzung ausschließlich mit den darin enthaltenen Äußerungen mit Bezug auf den Zypernkonflikt. Ich habe dem dadurch Rechnung getragen, daß ich die in der ersten Veröffentlichung dieses homepage-Beitrags verwendete Bezeichnung als "Rezension" am 2.3.2014 eliminiert habe. Chr. Heinze.



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