EU-Seemacht

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Europäisches Rasseln ohne Säbel, aktuell unter anderem im östlichen Mittelmeer.
Von Christian Heinze.

2014 11 16



1 Die Resolution des Europäischen Parlaments vom 13.11.2014 -2014/2921(RSP)- fordert die Türkei auf, bestimmte Schiffsbewegungen um Zypern herum zu unterlassen. Die Türkei solle gefälligst unverzüglich „Erklärungen“ der EU „ausführen“ und einen Vertrag beachten, den die Türkei zwar nicht geschlossen hat, zu dessen Abschluss sie aber aufgefordert wird. Das klingt als kommandiere das Parlament wie einst der römische Senat eine das östliche Mittelmeer beherrschende Kriegsflotte.
2 Die Mehrheit der Vertreter Europas berufen sich dabei an 14 Stellen der Resolution auf „Recht“. Aber das steht der EU schon deshalb schlecht an, weil sie sich zum Partner (um harte Ausdrücke zu vermeiden) der griechischen Kräfte gemacht hat, die den Zypernkonflikt vom Zaun gebrochen haben. Es sind nämlich griechische Hellenisten, die mit illegaler, terroristischer Gewalt in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren versucht haben, sich die Insel anzueignen und sich die türkischen Zyprer zu unterwerfen. Den türkischen Zyprern gehört aber die Insel zumindest zu einem Anteil, der ihrem Fünftel-Anteil an der Bevölkerung entspricht.
3 Zwar haben die Zyperngriechen 1959 internationale Verträge und eine Verfassung unterschrieben, die gemeinsame Regierung von Griechen und Türken vorsah. Die griechische Partei hat ber zugleich beteuert, sie nicht einhalten zu wollen. Durch gewaltsame Ghettoisierung des türkischen Fünftels der zyprischen Bevölkerung versucht sie bis heute, sich auch das türkische Fünftel zu unterwerfen und schadet den Zyperntürken zu diesem Zweck seit 50, wo sie nur kann.
4 Die europäisch-griechische Partnerschaft bei diesem Vorhaben begann bereits mit der (fehlenden) Haltung Europas zum griechischen Bruch der mit Applaus begleiteten Zypernverträge von 1959/60 und der griechischen Türkenverfolgung von 1963/64, setzte sich fort als die Türkei 1974 von ihrem verbrieften Interventionsrecht Gebrauch machte, um den Zyperntürken einen gegen Gewalt und Rechtlosigkeit (von Würde ganz abgesehen) gesicherten Teil der Insel zu reservieren (und damit beiläufig Europa von einer griechischen Militärdiktatur befreite). Durch Aufnahme der abgespaltenen Griechischen Republik von Südzypern in die EU und die Ausstattung der Angreifer mit Rechten, die ihnen nicht zustehen, krönte die EU ihren Siegesmarsch. Weil dieser noch nicht ganz beendet ist, solange türkische Soldaten den Frieden auf der Insel sichern, unterstützt sie laufend und auch mit der neuen Resolution die Geiselhaft, in die die Völkerfamilie die Zyperntürken versetzt hat.
5 Über Recht läßt sich streiten. Wer sucht, findet zum Zypernkonflikt - wenn auch mit einiger Schwierigkeit - eine ganze Reihe von Rechtsargumenten berühmter Autoritäten und anderer. Der hier diskutierte Auftritt der EU beruht aber eher auf einer vermeintlichen Machtstellung, die das türkische Gesuch um Beitritt zur EU den Europäern zu vermitteln scheint, das in Europa gern mit dem Geschmäckle einer Bittstellung belegt wird. Aber die Einschätzung der Machtverhältnisse kann täuschen. Ein EU-Beitritt liegt zur Zeit nicht im wahren Interesse der Türkei, die sich die Beitrittsvorteile (die vielleicht nur „winken“), besser aus eigener Kraft schaffen kann und sollte.
6 Politische Interessen wetteifern mit dem Streit ums Recht auf Zypern um den Vorrang überwiegender Wichtigkeit. Dem Friedensinteresse nützt die griechisch-europäische Usurpation ebensowenig wie ein auf Illusionen (die auch in die UN-Charta eingeflossen sind) beruhender Mangel an Verständnis der friedensstiftenden Wirkung des uralten Staatsbegriffs einer konsolidierten höchsten Gewalt, die in einem definierten Territorium Sicherheit und Ordnung schafft. Diese Wirkung offenbart sich in der Türkischen Republik von Nordzypern derart, wie man sich das andernorts auf der Welt nur wünschen könnte.
7 Wer die Rolle Europas betrachtet, sollte bedenken, wie sich dessen Haltung in diesem Konflikt nebst anderen Unzuverlässigkeiten, Anmaßungen und Brüskierungen auf die innere und äußere Entwicklung der Türkei seit den 1960er Jahren ausgewirkt hat. Er sollte sich fragen, ob diese nicht etwas zu tun haben mit der gegenwärtigen innenpolititschen Lage und zumindest undurchsichtigen Haltung der Türkei im Nahostkonflikt.
8 Aber zurück ins eigene Haus: Der Bestand der Europäischen Union ist nicht nur für ihre Mitglieder lebensnotwendig sondern der folgerichtige und mit Vorrang vor allen anderen Interessen der Europäer wünschenswerte Fortschritt der europäischen Geschichte. Aber die Form der Union und der Weg zu ihrer Realisation sind erst teilweise gefunden oder beschritten, andernteils befindet sich die Suche nach beidem auf gefährlichen Irrwegen. Ein wichtiger Irrtum besteht in der Selbsttäuschung über den Zustand der Union und den Sinn ihrer Gehversuche im Verhältnis zu den Voraussetzungen wirksamer globaler oder auch nur überregionaler und sogar unionsinterner Politik. Mehr Bescheidenheit wäre der richtige Grundton für die nötigen Reduktions- und Aufbauarbeiten.
9 Und mehr wirklich politisches Denken, zum Beispiel: welches Interesse hat die EU überhaupt am ebenso überschuldeten wie anspruchsvollen und opportunistischen griechisch-Zypern ? Und welche Möglichkeiten hat die Union nach Einverleibung der Insel zur Beilegung des Konflikts ? Wie verhält sich die Resolution zu diesen Möglichkeiten ? Mit ihr strapaziert jedenfalls das EU- „Parlament“ seine problematische „demokratische“ Legitimität. Erst recht würde sich die EU überfordern, wenn sich der Ministerrat und die Kommission der Union, denen allenfalls außenpolitische Kompetenz zukommt, die Resolution überhaupt zueigen machen sollten. Und das ist gut so, denn andernfalls wäre die Resolution ein bedeutsamer Schritt in Richtung Krieg.


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