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0 | Frieden um Zypern ist am ehesten, wenn nicht überhaupt nur durch Anerkennung der Griechischen Republik von Südzypern und der Türkischen Republik von Nordzypern als gleichermaßen souveräne Staaten zu gewährleisten. Vorzuziehen wäre eine Einigung dieses Inhalts zwischen den Konfliktparteien, die mit Bedingungen zum Ausgleich beiderseitiger Interessen verbunden werden kann. Als ihr Gegenstand kommen Staatsgrenzen, Forderungs- und Entschädigungsverhältnisse, die Unterhaltung von Streitkräften, Zusammenarbeit, zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Union, Freizügigkeit oder Management von Rechtsbeständen aus den Zypern-Verträgen von 1959/60 in Betracht. Eine solche Einigung ist (nur) zu erwarten, sobald die internationale Anerkennung der Türkischen Republik von Nordzypern erfolgt ist oder zweifelsfrei bevorsteht. Die Konfliktbeendigung liegt damit in erster Linie nicht in den Händen der griechischen und türkischen Konfliktparteien, sondern in den Händen relevanter, für eine solche Anerkennung in Betracht kommender Regierungen oder deren Organisationen. |
1 | Der Zypernkonflikt besteht zwischen dem Anspruch der griechischen Zyprer auf Herrschaft über die gesamte Insel und dem Anspruch der türkischen Zyprer auf Selbstregierung in einem Teil des Inselterritoriums. Der Konflikt erhält zusätzliches Gewicht durch die Unterstützung der Konfliktparteien durch ihre in ihre Beziehungen zueinander und zu dritten Staaten verwobenen "Mutterländer" Griechenland und Türkei. Er wird weiter dadurch verschärft, dass die UN, die EU und andere Regierungen den zwischen Staaten üblichen Verkehr mit den Inseltürken ablehnen und diese stattdessen darauf verweisen, mit den griechischen Zyprern einen gemeinsamen Staat zu bilden. Sie sind dadurch dem Zypernkonflikt als Parteien auf der griechischen Seite beigetreten. Diese Rolle steht in Widerspruch zu der Rolle von Streitschlichtern, die die UN, die EU und andere Regierungen zu spielen beanspruchen. Einvernehmen über Bedingungen einer griechisch-türkischen Staatsbildung auf Zypern ist in fast 50 Jahre anhaltenden Verhandlungen nicht zustande gekommen. Vielmehr haben die griechischen Zyprer seit spätestens 1955 jedes für sie erreichbare Mittel eingesetzt, um durch Beschädigung der Zyperntürken ihre Unterwerfung zu erzwingen. Solange diese griechische Haltung anhält und die Konfliktparteien nicht als politisch gleichberechtigt behandelt werden, ist eine nachhaltige Übereinkunft nicht zu erwarten. |
2 | Zur Beendigung dieses Konflikts bestehen vier Möglichkeiten: 1. Bedingungslose Unterwerfung der Zyperntürken unter den griechisch-zyprischen Herrschaftsanspruch mit Hilfe militärischer oder quasi-militärischer Gewaltanwendung. 2. Die griechische Konfliktpartei willigt in türkische Selbstregierung in einem Teil des Inselterritoriums ein. 3. Die Zyperntürken unterwerfen sich freiwillig dem griechischen Vorherrschaftsanspruch zu Bedingungen, die von den griechischen Zyprern akzeptiert und eingehalten werden. 4. Die UN, die EU und/oder eine Reihe von maßgeblichen Regierungen erkennen den in einem Teil des Inselterritoriums bestehenden türkisch-zyprischen Staat ohne Zustimmung der griechischen Konfliktpartei an. |
3 |
Die Alternative zu 1. kann ausser Betracht bleiben, weil keine Mächte vorhanden,
in der Lage oder bereit sind, den zu erwartenden türkischen Widerstand
mit militärischen Mitteln zu brechen . Überdies haben die UN, die EU
und relevante Regierungen einander aufgefordert, die de-facto-Grenze zwischen
dem von griechischen und türkischen Zyprern bewohnten Territorien nicht zu
verletzen .
Die Alternative zu 2. ist illusorisch, solange die UN, die EU und relevante Regierungen die Anerkennung des türkisch-zyprischen Gemeinwesens als Staat verweigern . Denn solange diese Haltung besteht, kann die griechische Konfliktpartei aus der Aufrechterhaltung ihres Anspruchs Vorteile ziehen, die Nachteile aus türkischen Gegenmaßnahmen bei weitem überwiegen. Die Alternative zu 3. ist schwer vorstellbar ohne Sicherstellung türkischer Mitbestimmung in einem gemeinsamen Staat ähnlich derjenigen, die in der Verfassung von 1960 vorgesehen war. Diese würde jedoch mit dem griechischen Intersse kollidieren, wenigstens in einem Teil der Insel unbeschränkt zu herrschen, das schwerer wiegt als das Interesse an einem gemeinsamen, aber türkisch mitbestimmten Staat. Solange die Möglichkeit zu bestehen scheint, dass die türkischen Zyprer durch die mit der Nichtanerkennung ihres Staates verbundenen Nachteile gezwungen werden, auf Selbstregierung oder deren dauerhafte Sicherung zu verzichten, steht der Alternative 3. ferner das griechische Interesse an der Aufrechterhaltung der Chance eines Erwerbs der Herrschaft über die gesamte Insel samt ihrer türkischen Bevölkerung entgegen. Selbst wenn die griechische Seite zu einer Mitbestimmungslösung bereit wäre, würde ein Hindernis für ihre Verwirklichung in der unlängst angehäuften Staatsschuld der griechischen Republik bestehen, deren Mitübernahme durch die türkische Seite kaum erwartet werden kann. . Die Alternative zu 4. würde den Konflikt beenden, weil sie die Aussicht der griechischen Konfliktpartei auf Vorherrschaft über die ganze Insel und damit den Konfliktgrund aufheben würde. Diese Option hat in jüngerer Zeit in der internationalen öffentlichen Meinung Boden gewonnen (siehe Anzeige des Gutachtens der International Crisis Group vom März 2014 zu einer Lösung des Zypernkonflikts). . |
4 | Die Frage, welcher Alternative der Vorzug zu geben ist, sollte unter dem Gesichtspunkt des Weltfriedens beurteilt werden, der mit den Verhältnissen der beteiligter Interessen verbunden ist. Das schließt auch die Frage nach der Bedeutung des Völkerrechts für den Zypernkonflit ein . |
4.1 | Da Frieden jedenfalls die Abwesenheit von Gewaltanwendung
voraussetzt , sind Alternativen auszuschließen, die mit einem
hohen Potential künftiger Gewaltanwendung verbunden sind.
Unter den zyprischen Verhältnissen sind das Alternativen, die auf Unterwerfung der Zyperntürken beruhen, mag diese nun durch militärische Gewalt oder anderen zwingenden Druck vermittelt sein. Denn der türkische Selbstregierungsanspruch hat Aussicht auf dauerhafte Durchsetzung mit Hilfe hoher und höchster Einsatzbereitschaft von anatolischen und zyprischen Türken . Die Aussicht kann womöglich durch internationalen Druck vermindert werden, so dass der Einsatz zeitweise unterbleibt, jedoch nur um den Preis eines vehementeren Wiederauflebens bei veränderten Verhältnissen . Dem steht keine ähnliche Aussicht auf dauerhafte Durchsetzung der griechischen Ansprüche gegenüber. Denn das Interesse der dank ortsnaher nationaler Unterstützung mächtigen türkischen Partei an ethisch hochbewerteter Selbstregierung, das mit dem Interesse an Wohlstand einher geht , hat ein höheres politisches Gewicht als das Interesse der griechischen Zyprer (deren Selbstregieung ohnehin unangefochten gesichert ist und ihr jede Wohlstandschance vermittelt) an gewaltsamer Vorherrschaft über die türkischen Zyprer und am Besitz eines größeren Anteils am Inselterritorium . Das spricht gegen Lösungen nach Art des Annan-Plans . Ein diesen Plan kennzeichnender Versuch einer schon vom Umfang her unübersehbaren Regelung einer großen Zahl denkbarer Einzelkonflikte erzeugt zusätzlichen Streitstoff, ohne den grundlegenden Konflikt zu entscheiden. Er setzt die griechische Partei in die Lage, ihr Vorherrschaftsinteresse durch geschickte Ausnutzung von Macht- und Planpositionen weiterhin anzustreben. Er muß deshalb auf Dauer mehr Unfrieden stiften als er Konflikte beenden kann. Auch wenn es gelingt, die türkischen Zyprer und ihre Führung hierüber zu täuschen, verschiebt ihre Zustimmung lediglich den Wiederaufbruch des Konflikts in die Zukunft. Die realen zyprischen Verhältnisse sprechen überhaupt gegen jede "Lösung", die eine reale, machtmäßige Sicherung territorialer Selbstregierung der türkischen Zyprer verfehlt. Dauerhafter Frieden setzt mindestens autonome türkische Exekutivgewalt und Gerichtsbarkeit im türkischen Gebiet voraus, die von jeder griechischen Einflußnahme freigestellt ist. Von einer solchen Option ist die griechische Konfliktpartei nach dem gegenwärtigen Verhandlungsstand denkbar weit entfernt. Danach ist nur die 4. Alternative mit dem Interesse an dauerhaftem Frieden um Zypern vereinbar. Von den Konfliktparteien ist eine dauerhafte Übereinkunft angesichts der Poltik der UN, der EU und der relevanten Reguierungen nicht zu erwarten. Auch wenn sie gewaltsam zustande gebracht wird, verspricht sie keine dauerhafte Befriedung.. Ob der Konflikt andauert oder dauerhaft beendet wird, liegt mithin in den Händen der genannten Mächte und Regierungen. |
4.2 | Allerdings begründet Abwesenheit von Gewalt für sich allein noch
nicht Frieden, der den Namen verdient. Zu einem dem Wesen des Menschen entsprechenden
Frieden gehört ein gewisses Maß an Ordnung und Angemessenheit der Konfliktlösung im
Wege der Durchsetzung oder des Ausgleichs von Interessen. Die seit 1960
vorherrschende
Zypernpolitik der Vereinten Nationen, der EU und relevanter Regierungen ist an gewissen
Formalitäten orientiert. Sie geht davon aus, dass Legitimität und Illegitimität von
Staatlichkeit auf Zypern und ihr territorialer Bestand allein durch Anerkennung durch
die UN und/oder relevante Regierungen bestimmt wird . und dass die
Schaffung der türkischen Republik von Nordzypern schon allein wegen ihrer Gewaltsamkeit
mit Nichtanerkennung nebst allen ihren schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung zu
ahnden ist. Frieden in der
genannten Bedeutung hängt aber von vielen anderen Faktoren des Zusammenlebens, zum
Beispiel von ethnischen, religiösen, zivilisatorischen, traditionellen,
wirtschaftlichen, Versorgungs- sowie militärischen und anderen Macht- und
Eigentumtsverhältnissen ab. Er hängt auch von aggressiven oder toleranten
Einstellungen der Beteiligten im betreffenden Raum ab.. Der Ausschluss aller
dieser Faktoren aus der
Grundlegung der internationalen Zypernpolitik trägt entscheidend dazu bei, dass der
Konflikt in jahrzehntelangen Bemühungen nicht beendet werden konnte.
Die Entwicklung materieller Maßgaben für Frieden um Zypern und ihre Anwendung auf den Konflikt führt zu dem Ergebnis, dass der oben genannten Alternative 4. einer Konfliktbeendigung durch Anerkennung der Staatsqualität der türkischen Republik von Nordzypern nicht nur zur Gewaltverhinderung zu empfehlen sondern dass ihm im Interesse dauerhafter Befriedung der Vorzug zu geben ist. |
4.2.1 | Die griechisch- und die türkisch-zyprischen Volksgruppen sind im internationalen
Vergleich besonders stark ethnisch, religiös, kulturell, traditionell unterschiedlich
geprägt und konsolidiert. Diese Prägung und Konsolidierung wird auf griechischer
Seite durch Besonderheiten der orthodoxen Kirche und ihre Verbindung mit der
nationalen Bewegung des 19. Jahrhunderts bestimmt. Die Verbindung führte in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (übrigens in diaspora-typischer Weise) zur
Vereinigung der höchsten politischen Macht innerhalb der griechischen Volksgruppe
mit der religiösen Autorität des unter Einbeziehung der Gläubigen hierarchisch streng
organisierten griechisch-zyprischen Priestertums. Sie kulminierte (seit 1950) in einem
durch eine historisierende hellenistisch-hybride Ideologie unterfütterten
Herrschaftsanspruch der gesamten griechischen Volksgruppe unter Erzbischof Makarios
. Sie verstärkte den Gegensatz der griechischen zur türkischen Volksgruppe
weit wirksamer als die weit lockerere Organisation und religiöse oder ideologische
Orientierung der türkischen Seite.
Nicht die Unterschiedlichkeit der Volksgruppen für sich betrachtet sondern der Anspruch der griechischen Volksgruppe auf Vorherrschaft bildet den entscheidenden negativen Faktor gegen Frieden auf der Insel, denn sie ist eine Form der Fremdherrschaft und begründet die Wahrscheinlichkeit der Diskriminierung und Benachteiligung der türkischen Volksgruppe. Gleichgültig ob eine solche Fremdherrschaft oder Diskriminierung von einem Monarchen oder von einer größeren Volksgruppe (einer "Mehrheit") oder einer sonst überlegenen Macht ausgeht, bildet diese Wahrscheinlichkeit den Grund für den Anspruch auf Selbstregierung. Das übergeordnete Interesse an der Gewährleistung von Frieden durch die Ordnungskraft einer Staatsgewalt kann unter bestimmten Umständen einen Verzicht auf Selbstregierung fordern, wenn die Wahrscheinlichkeit der befürchteten Diskriminierung gering ist, insbesondere durch Gewährleistung von Grund- oder Sonderrechten der Gruppe und - in Gemeinwesen mit unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten - durch Trennung von Staat und Kirche verringert wird. Die griechische Konfliktpartei sah die gewaltsame Verfolgung ihres Selbstregierungsanspruchs seit 1955 als durch die Fremdheit der britischen Herrschaft und durch die Wahrscheinlichkeit von Diskriminierungen gerechtfertigt an, Sonderrechte genügten den Griechen nicht. Als bei Aufgabe der britischen Regierungsgewalt über die Insel (1960) eine Diskriminierung der türkischen Volksgruppe wahrscheinlich wurde, die sich soeben dem gewaltsamen Kampf der Griechen für Anschluß an Griechenland widersetzt und dafür Verfolgung erlitten hatte, fanden sich die türkischen Zyprer bereit, die Wahrscheinlichkeit hinzunehmen, wenn ihnen ein Katalog bestimmter Sonderrechte garantiert wurde. Verträge und eine Verfassung dieses Inhalts wurden niedergeschrieben und untersschrieben, von der griechischen Führung allerdings nur unter dem albald erklärten Vorbehalt, ihren Anspruch auf unbeschränkte Herrschaft weiterzuverfolgen . In 1963 und 1964 handelten sie dementsprechend den Sonderrechten zuwieder und erklärten auch förmlich ihre Aufhebung. Im Zypernkonflikt wurde die Wahrscheinlichkeit der Diskriminierung und Fremdherrschaft zur Gewißheit. Sie wurde realisiert durch Versuche der griechischen Zyprer seit 1955 (organisierte Mordkampagne unter Grivas und Makarios), die Zyperntürken gewaltsam zu unterwerfen, insbesondere in 1963/64 im Wege der von den (zur Regierung "Zyperns" eingesetzten) griechischern Führern instruierten gewaltsamen Türkenverfolgung durch irreguläre Bewaffnete) und in 1974 durch Militärintervention Griechenlands. Die Gewißheit anstehender Diskriminierung besteht bis in die Gegenwart fort durch ausdrückliche Aufrechterhaltung des griechischen Vorherrschaftsanspruchs sowie durch die griechische Politik, den türkischen Zyprern bei jeder sich bietenden Gelegenheit möglichst großen Schaden oder Nachteil zuzufügen, um sie zur Unterwerfung zu zwingen. Der Zypernkonflikt ist mithin entscheidend geprägt durch griechische Angriffe auf die Voraussetzungen für Frieden in Zypern und durch türkische Verteidigung gegen diese Angriffe. In der Aggressivität der griechischen Zyprer liegt das entscheidende Hindernis für Frieden um Zypern. |
4.2.2 | Die Überlassung der Insel an griechische Herrschaft würde für die Türkei eine
wesentlich weitergehende Beeinträchtigung ihrer Position im östlichen Mittelmeer
bedeutetn als die Aufgabe eines kleineren Inselteils für die griechische Position.
Realistische politische Bewertung kann dabei die Nähe der Insel zu Anatolien und
ihre Entfernung von Griechenland im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrer relativ
geringen wirtschaftlichen aber größeren militärischen Bedeutung nicht außer
Betracht lassen. Beide Volksgruppen verlieren zwar durch die von der
griechischen Seite eingeleitete Teilung Siedlungsgebiet, gewinnen aber
unbeschränkte Selbstregierung. Gerade mit ihrem Interesse an Selbstregierung hat
die griechische Partei ihre eigene terroristische und militärische
Gewaltentfaltung und ihren Herrschaftsanspruch seit 1950 begründet,
während sie der türkischen Volksgruppe ein gleiches Recht streitig macht.
Demgegenüber ist die Sicherheit der türkischen Volksgruppe durch den
Vorherrschaftsanspruch gefährdet, den die griechische Führung bis in
die Vereinigungsverhandlungen der Zeit seit 1964 aufrecht erhalten hat und
weiterhin aufrecht erhält, während die türkische Volksgruppe keinen
ähnlichen Anspruch erhebt.
Ihr Sicherheitsanspruch erhält Gewicht durch die Überzahl der griechischen
Inselbevölkerung, durch deren ideologischen Anstrengungen, durch
gewaltsame griechische Aggressionen zwischen 1955 und 1974 und durch die
mit der griechischen Politik seit 1964 demonstrierte Entschlossenheit, den
türkischen Zyprern bei jeder Gelegenheit nach Kräften zu schaden. Dass die
griechische Führung sich als Teil der "Regierung von Zypern" 1963/64 an Pogromen
gegen
die türkische Volksgruppe beteiligte anstatt ihr den staatlichen Schutz gegen
Gewalt zu gewähren, den sie ihr schuldete, bestätigt den Bedarf der
türkischen
Zyprer nach einem eigenen Staat als grundlegende Voraussetzung jeglichen
Friedens. Dementsprechend wäre eine angemessene Beteiligung der türkischen
Zyprer an Vorteilen aus einer Vereinigung unter griechischer Herrchaft nicht
zu erwarten. Zwar führt eine Teilung
der Insel zu einem wesentlich größeren persönlichen Heimat- und Eigentumsverlust
griechischer als türkischer Zyprer. Im Friedensinteresse erscheint diese
Lastverteilung jedoch durch die Verantwortung der griechischen Volksgruppe
für ihre gewaltsame Aggressivität und ihren Vertrauensbruch beim Versuch der
Gründung einer Repubik Zypern im Jahre 1960 und für deren Scheitern aufgewogen.
Hinzu kommt, dass dieser Verlust bereits weitgehend durch die wirtschaftliche
Entwicklungen von Südzypern an Gewicht verloren hat und im übrigen einer
Kompensation nicht nur innerhalb der griechischen Volksgruppe sondern auch
zwischen der griechischen und der türkischen Volksgruppe zugänglich
bleibt.
Aus denselben Gründen, aus denen sie Frieden auf Zypern fördert, dient eine Teilung auch dem Frieden zwischen der Türkei und Griechenland, auch wenn sie in Griechenland unpopulär ist. Dasselbe gilt mit Bezug auf - übrigens kaum erkennbare - andere konkrete internationalen Interessen oder Konflikte, die sich auf Zypern beziehen. Insbesondere kan ein Expansionsinteresse der EU nicht an sich als friedensförderlich bewertet werden. Im Fall des Zypernkonflikts trägt es vielmehr zu dessen Verschärfung und Fortbestand bei. |
4.2.3 | Unter dem Gesichtspunkt des Friedensinteresses zu diskutieren
bleiben
die Gründe, die der internationalen Zypernpolitik (UN, EU, relevant
governments) zugrunde liegen. Das trifft auf die Schwierigkeit, dass
solche Gründe nur
spärlich dokumentiert sind. Zwar gibt es unzählige private oder
wissenschaftliche Stellungnahmen, denen jedoch schon deshalb keine
maßgebliche Bedeutung beigemessen werden kann, weil sie größtenteils
umstritten sind. An einer offiziellen Berufung auf
Erwägungen, wie sie
vorstehend zu 4.2.1 und 4.2.2 angedeutet wurden, fehlt es dagegen
nahezu vollständig. Als Quelle verbindlicher Maßgaben kommen nur die
Resolutionen des UN-Sicherheitsrates in Betracht, denn Stellungnahmen
der EU oder relevanter Regierungen machen sich deren Inhalt zu eigen,
gehen aber nicht darüber hinaus. Sie laufen auf die Annahmen
hinaus, es sei 1960 eine Repubik Zypern gechaffen worden,
die fortbestehe und den Schutz des Völkerrechts für Staaten genieße (1).
Die gewaltsame Schaffung der Türkishen Republik von Nordzypern verstoße
gegen diesen Rechtsschutz (2). Deshalb sei es geboten, diese türkische
Republik nicht anzuerkennen (3). Mit Bezug auf den Zypernkonflikt ist
diese Folgerungsweise mit dem Interesse an dauerhaftem Frieden nicht
vereinbar.
(1) Soll der Staatsbegriff dem Friedensinteresse dienen, so besteht ein Staat in einer tatsächlich permanent über ein definiertes Gebiet herrschenden höchsten Ordnungs-Gewalt. Internationale Anerkennung oder Nichtanerkennung hat demgegenüber nur Bedeutung, soweit sie begründet, weshalb diese Voraussetzungen im konkreten Fall gegeben sind oder nicht gegeben sind. Eine Instrumentalisierung des Staatsbegriffs zur Verfolgung partikulärer Interessen läuft dem Friedensinteresse zuwider. Dem Bestand einer Staatsgewalt über ganz Zypern stand bereits seit 1960 oder spätestens seit 1963 die Distanzierung der griechisch-zyprishen Mächte von einer (von ihnen nur zum Schein zugestandenen) Mitregierung der türkisch-zyprischen Mächte entgegen, ohne die eine Staatsmacht über ganz Zypern nicht errichtet werden konnte und kann. Deshalb stand und steht einem griechisch- zyprischen Gemeinwessen der völkerrechtliche Schutz als Staat nur insoweit zu, als es seit 1974 die höchste Gewalt in einem definierten Teilgebiet der Insel etabliert hat. (2) Bestand bei schrittweiser Errichtung der Türkischen Republik von Nordzypern zwischen 1964 und 1984 keine beide Volksgruppen umfassende (durch die Verfassung von 1960 definierte) "Republik Zypern" und standen Grenzen des ab 1964 schrittweise errichteten griechisch-zyprischen Staates vor seiner Abgrenzung im Jahre 1974 nicht fest, so konnte auch die gewaltsame Hilfe der Türkei bei der Errichtung der türkisch-cyprischen Republik keine Rechte eines solchen Staates verletzen. Aber selbst wenn türkische Gewalt griechische Rechte auf Zypern beeinträchtigt hätte, wäre das erforderlich gewesen, um der Störung des Friedens um Zypern durch griechische Gewaltanwendung zur Unterwerfung der Zyperntürken entgegenzutreten, die mit dem Bruch der zyprischen Friedensverträge von 1960 verbunden waren. Der türkischen Gewaltanwendung lag außerdem ein vertragliches Interventionsrecht zugrunde. (3) Schließlich kann kein Völkerrecht die nötigenfalls gewaltsame Bildung von Staaten oder die Änderung staatlicher Gebietsbestände verhindern, wenn nur durch sie dauerhafter Frieden geschaffen werden kann, weil Völkerrcht nur durch seinen Dienst am Frieden legitimiert ist. Die Auffassung jedweder Gewaltanwendung als rechtliches Hindernis für das Entstehen eines Staates oder für die Veränderung von Staatsgebiet oder als Grundlage für deren Nichtanerkennung oder für eine Pflicht zur Nichtanerkennung ist mit einem aus seiner Friedensaufgabe abgeleiteten Staatsbegriff unvereinbar. Ein derartiges rechtliches Hindernis kann daher entgegen der womöglich in der Völkerrechtslehre herrschenden Auffassung in keiner der Formen entstehen, in denen Völkerrecht zustande kommt, am wenigsten durch eine Gewohnheit, wie sie allein als Rechtsquelle für ein behauptete Pflicht zur Nichtanerkennung der türkischen Republik von Nordzypern in Anspruch genommenen wird. Das wird dadurch bestätigt, dass Versuche zur Durchsetzung des vermeintlichen Rechts immer wieder zu Unfrieden größten Ausmasses geführt haben und selten erfolgreich waren und dass höchst gewaltsam herbeigeführte Änderungen dauernden Frieden brachten. Veränderungen der Staatenwelt können nicht verhindert werden und sind gerade im Friedensinteresse immer wieder notwendig. Sie beherrschen die historische Tagesordnung und gewinnen bei Bestand auch die Qualität von Gewohnheitsrecht. Andererseits ist nicht nur nicht auszuschließen sondern als Grundregel zu unterstellen, dass eine mit der Beeinträchtigung eines bestehenden Staates verbundene Staatsgründung dem Friedensinteresse zuwiderläuft. Dann kann auch Nichtanerkennung im Friedensinteresse geboten sein, um auf die Beseitigung der Beeinträchtigung hinzuwirken. Die wahre Bedeutung als Friedensbedingung oder als Friedensstörung kann aber nicht an Hand von Formalien sondern nur an Hand von Kriterien nach Art der Gegenstände der Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2 nachgewiesen werden. Die Anwendung der Nichtanerkennung als Sanktion gegen Gewalt dient jedenfalls dem Frieden nur, wenn sie überhaupt Aussicht auf die beabsichtigte Wirkung hat und wenn ihre friedenstiftende Wirkung die mit ihr verbundene Friedensstörung überwiegt. Keine der Voraussetzungen für Nichtanerkennung als Sanktion ist im Zypernkonflikt erfüllt. Die Nichtanerkennung verhindert die Befriedung der Insel. Ihre Verhängung steht im Widerspruch zur Aufforderung der Vereinten Nationen, die Grenzen der türkischen Republik nicht zu verletzen, die zugleich der Verwirklichung der angeblichen griechischen Rechte entgegensteht. Die Sanktion kann ihr Ziel nicht erreichen, was jedenalls 50 Jahr nach ihrer Verhängung offensichtlich ist . In erster Linie steht die Beeinträchtigung der türkischen Republik und vor allem ihrer Bevölkerung sowie der durch sie geschaffenen friedlichen Lage (bei weitgehender Bewältigung mit ihrer Schaffung verbundener Schäden ) durch das mit Nichtanerkennung verbundene Embargo in Gestalt der Behinderung internationaler Kommunikation einschließlich des Austauschs von Waren und Leistungen und insbesondere von Verkehrsleistungen außer Verhältnis zum Ziel der Unterstützung des Vorherrschaftsanspruchs der griechischen Konfliktpartei durch ein Verbot türkischer Selbstregierung. Ein Verbot, die Türkische Republik von Nordzypern anzuerkennen, wird übrigens selbst von den Vereinten Nationen nicht geltend gemacht. Die in Resolutionen des Sicherheitsrates enthaltene Empfehlung der Nichtanerkennung ist mangels Berufung auf Kapitel VII (Atrt. 41) der UN-Charta unverbindlich . |
4.2.4 | Zu anderen Argumenten, die für die griechischen Ansprüche geltend gemacht
werden und für
deren Geltung die Unterstützung dieser Ansprüche durch die international
herrschende Zypernpolitik angeführt werden könnte (Argumente, die aber von
den diese Politik beherrschenden Vereinten
Nationen nicht offiziell geltend gemacht werden), ist zu bemerken:
(1) Die hier befürwortete Teilung ist mit dem Verlust von Rechten auf Heimat und Eigentum von griechischen und türkischen Zyprern verbunden. Diese Rechte müssen gegenüber dem Friedensinteresse zurücktreten. Ihr Verlust geht auf die friedensstörende und gewaltsame, Vertragsbindungen verachtende Politik der griechischen Führung der Mehrheit der Betroffenen zurück und ist volksgruppenintern auszugleichen. Was Beeinträchtigungen der türkischen Volksgruppe betrifft, beweist ihr Verhalten, dass sie Sicherheit und Selbstregierung den beeinträchtigten Rechten vorzieht. Sie hat Anspruch auf Reparationsleistungen gegen dir griechisch-zyprische Republik. Allerdings beträgt die Zahl der betroffenen griechischen Zyprer und der Umfang des ihnen weggenommenen Eigentums ein Mehrfaches der Verluste der betroffenen türkischen Zyprer, während der Verlust von Siedlungebiet für griechische Zyprer weniger als ein Drittel und für die türkischen Zyprer mehr als zwei Drittel des Inselterritoriums ausmacht. Das ist eine Folge der Verteilung der griechischen und türkischen Bevölkerung auf die gesamte Insel vor den durch die griechische Volksgruppe ausgelösten gewaltsamen Veränderungen, die in der Vertreibung von mehr als 100.000 griechischen und mehr als 20.000 türkischen Zyprern nach dem Süden und Norden der Insel in der Zeit zwischen 1964 und 1974 kulminierten. Es entspricht auch der Übermacht der von den griechischen Zyprern zur Verfolgung ihrer unfriedlichen Ziele eingesetzten und zu erwartenden Gewalt und der Unterlegenheit der türkischen Volksgruppe. Im Interesse dauerhaften Friedens erscheint es aber vertretbar, eine gewisse Anpassung oder einen Ausgleich dieses Verhältnisses zwischen den Volksgruppen durch Rückgabe oder Entschädigung zu fordern. Berechtigte gegenseitige Ansprüche können nach Anerkennung der türkischen Republik von Nordzypern geltend gemacht werden. (2) Die griechische Partei macht geltend, Herrschaft der griechischen Zyprer sei ein Gebot des Mehrheitsprinzips der Demokratie als einer Staatsform, die dem Frieden am besten dient. Dieses Argument hat Aussicht, auf eine oberflächliche öffentliche Meinung einzuwirken, ignoriert aber, dass das Mehrheitsprinzip durch den Interessenausgleich gerechtfertigt ist, den ständig wechselnde Mehrheitsbildung im Rahmen einer grundlegenden Interessen-Gemeinsamkeit eines homogenen "demos" leistet. Diese Voraussetzung ist ausgeschlossen in einer Beziehung wie derjenigen zwischen den zyprischen Volksgruppen, in der eine geschlossene Mehrheit und eine geschlossene Minderheit dauerhaft gegensätzliche Ideale in Bezug auf grundlegende Angelegenheiten des politischen Zusammenlebens verfolgen. (3) Ein anderes der herrschenden Politik nahestehendes Argument geht dahin, Staatsgrenzen sollten ein für die Lebensfähigkeit eines Gemeinwesens ausreichend großes Territorium umfassen und mit geographischen Arrondierungen übereinstimmen. Die Insel Zypern sollte daher einem einzigen Staat zugeordnet und nicht geteilt sein. Dass der griechisch- zyprische Teilstaat auf Vereinigung nicht angewiesen ist, beweist aber sein Wirtschaftsaufschwung seit 1964. Eigenständigen Wohlstand der türkischen Republik verhindert vor allem die Nichtanerkennung. Alle Vorzüge, die Gemeinsamkeit vermitteln kann, sind gerade auf Grund Anerkennung etwa im Wege einer Föderation realisierbar. (4) Gelegentlich wird aus dem friedlichen Zusammenleben der beiden zyprischen Volksgruppen während langer historischer Perioden gefolgert, die Behauptung der Unmöglichkeit des Zusammenlebens der beiden Volksgruppen gehe auf Voreingenommenheit mit vordergründigen, oberflächlichen oder oktroyierten Sentiments oder Interessen zurück, die mittels Nichtanerkennung überwunden werden kann. Das übersieht, dass die gewaltsame Verfolgung des griechischen Vorherrschaftsanspruchs seit seinem Entstehen nur durch die Osmanenherrschaft und seit 1878 jedenfalls bis 1955 durch die britische Staatsgewalt sowie seit 1974 durch die Gegenwart türkischer Truppen auf der Insel verhindert wurde und wird. |
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