1 | Am 30. November jährt sich zum 50. Mal der Tag, an dem der griechische „Volksführer“ Erzbischof Makarios „Vorschläge“ zur Abschaffung der Sonderrechte der türkisch-zyprischen Volksgruppe auf Mitwirkung in der Regierung Zyperns verkündete. Der alsbald im Jahre 1964 gegen heftige Gegenwehr der Zyperntürken gewaltsam durchgesetzte Vollzug dieser „Vorschläge“ lief auf die Errichtung eines griechischen Staates hinaus, den es auf Zypern nie zuvor gegeben hatte. Makarios konnte aber nur einen Teil der Insel unterwerfen, denn die Zyperntürken verschanzten sich in Enklaven und bauten eine Selbstverwaltung auf. Trotz Verfolgungen und brutaler Belagerung hielten sie durch, bis türkische Truppen 1974 ein Territorium im Inselnorden abriegelten mit der Folge eines zwangsläufigen Exodus der Zyperngriechen aus dem Norden in den Süden und der Zyperntürken aus dem Süden in den Norden. Im Norden wurde schrittweise die am 15. November 1983 proklamierte Türkische Republik von Nordzypern errichtet. | The 30th November marks the fiftieth return of the day when the Greek "Leader of the People" Archbishop Makarios had announced "proposals" to abolish the special rights of participation of the Turkish Cypriot Community in the Government of Cyprus. The immediate violent execution of these "proposals" against the vehement resistance of the Turks of Cyprus amounted to the creation of a Greek State which had never before existed in Cyprus. However, Makarios succeded in the subjugation of a part of the island only, as the Turkish Cypriots entrenched themselves in enclaves and established an administration of their own. In spite of persecution and brutal siege they endured until in 1974 Turkish troops closed off a territory in the North of the island causing the inevitable exodus of Greek Cypriots from the North to the South and of Turkish Cypriots from the South to the North. Step by step the Turkish Republic of North Cyprus was established and proclaimed on the 15th November 1983. |
2 | Die Ereignisse sind Teil des Zypernkonflikts, der mit der Auflehnung der Zyperngriechen gegen das osmanischer Reich im Zuge der im 19. Jahrhundert Europa erfassenden Nationalisierung und der Bildung einer griechischen Nation entstanden war. Die Osmanen hatten die Insel 1573 den Venezianern abgenommen. Als England ab 1878 die Herrschaft über Zypern erwarb, setzte sich die Auflehnung gegen die neue Herrschaft fort. Sie fand einen Höhepunkt in der mit dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden antikolonialen Bewegung. Die Zyperngriechen verlangten nun Anschluß an Griechenland und unterstrichen ihre Forderung seit den 1950er Jahren mit einer blutigen Terrorkampagne gegen die Engländer, die mit Truppeneinsatz antworteten. Die Zyperntürken hatten sich den griechischen Forderungen von Anfang an widersetzt, nicht nur weil sie den Anschluss an Griechenland ablehnten, sondern weil die griechische Bewegung sie als eine Minderheit ungebetener fremder „Gäste“ minderer Religion und minderer Stellung in Gesellschaft und Verwaltung behandelte. | These events form part of the Cyprus Conflict that began with the insurrection of the Greeks of Cyprus against the Ottoman Empire in the course of the nationalist movement that had captured Europe in the 19th century and of the creation of a Greek nation. The Ottomans had conquered the island from Venice in 1573. When England acquired command of the island from 1878 onwards, the insurrection continued against the new rule. It reached its peak during the anti-colonial movement that arose in the aftermath of the Second World War. The Greek Cypriots now demanded Union with Greece and, from the beginning of the 1950ies onwards, underlined their protest by staging a bloody terrorist campaign against the English who responded with the deployment of troops. The Turkish Cypriots had resisted the Greek demands not only because they rejected Union with Greece but because the Greek movement treated them as a minority of uninvited foreign "guests" of a minor religion and of a minor status in society and administration. |
3 | Als England Ende der 1950er Jahre seinen Kampf um Zypern aufgab, entzog es der Insel die Staatsgewalt, die gewaltsame Ausbrüche des griechisch-türkischen Konflikts bisher verhindert hatte. Unter dem Druck der Westmächte vereinbarten die Führungen der beiden zyprischen Volksgruppen 1959 mit England, Griechenland und der Türkei die Errichtung einer „Republik Zypern“, deren Verfassung im Kern durch ebenjene türkischen Sonderrechte geprägt war, die Makarios 1963/64 abgeschafft hat. Schon vor und alsbald nach der vereinbarten Gründung im Jahre 1960 hatte die griechisch-zyprische Führung verkündet, dass sie die Gründung nur als Schritt auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel ansah, sich die Insel zu unterwerfen. Sie machten damit klar, dass sie den Verfassungsvertrag nur zum Schein eingegangen war. Das macht es fraglich, ob 1960 überhaupt eine Verfassung und ein Staat im Rechtssinne oder nicht eher ein Staatsvakuum entstanden ist. Jedenfalls wurde durch das griechisch-zyprische Vorgehen von 1963/64 entweder eine neue rein griechische Republik auf Zypern gegründet oder ein Staatsstreich inszeniert, der in einem Bürgerkrieg stecken blieb. | When England, towards the end of the 1950ies, gave up its fight for Cyprus, it withdrew from the island the sovereign power that had until then prevented the outbreak of the Greek and Turkish conflict. Subject to pressure from the Western powers, the leaderships of the two Cypriot communities agreed with England, Greece and Turkey on the establishment of a "Republic of Cyprus", the Constitution of which was based on the same special Turkish rights which Makarios had abrogated in 1963/64. No later than before and soon after the stipulated foundation in 1960, the Greek-Cypriot leadership had announced that they regarded the foundation as no more than a step on their path towards their true goal of conquering the whole island for themselves. They thus made it clear that they had only feigned their entrance into a constitutional agreement. This makes it questionable whether, in 1960, a Constitution or a State in the legal meaning of the terms was established at all, or whether the virtual agreement had not rather created a governmental vacuum. In any case, the Greek Cypriot strategy of 1963/64 has amounted either to the creation of a new and purely Greek Republic of Cyprus or to a Coup d'État deadlocked in a civil war. |
4 | Obwohl sie in den Verträgen von 1959 ausdrücklich die Garantie der zu schaffenden politischen Lage übernommen hatten, traten England, Griechenland und zunächst auch die Türkei der Gründung oder dem Staatsstreich von 1963/64 nicht wirksam entgegen. Sie überließen die Reaktion der UN, die nicht daran dachte, die Vertragslage herzustellen, sondern die durch die griechische Aktion und die Reaktion der türkischen Zyprer geschaffene Lage einfror und sanktionierte. Indem sie darüber hinaus die griechische usurpatorische Führung als legitime Staatsgewalt von „Zypern“ behandelte, erkannte die UN deren Anspruch auf Beherrschung der gesamten Insel an. Obwohl damit der Vorbehalt verbunden war, dass der Anspruch nicht gewaltsam durchgesetzt werden darf, setzte die UN dadurch den türkischen Selbstbestimmungsanspruch ins Unrecht und ermutigte das griechischen Streben nach Vorherrschaft. Fast alle Staaten schlossen sich an. Durch diese Politik wurde der Zypernkonflikt zementiert ohne eine realistische Chance für eine einvernehmliche Lösung offenzuhalten. Als massive griechische Kräfte deshalb 1974 versuchten, den türkischen Widerstand mit Gewalt zu brechen, waren es türkische Soldaten, die durch Einleitung des erwähnten Doppel-Exodus die territoriale Voraussetzung für einen türkisch-zyprischen Inselstaat und für dauerhafte Gewaltlosigkeit auf der Insel schufen. | Disregarding the guarantee pronounced by them in the treaties of 1959 of the political situation created by these treaties, England, Greece, and initially Turkey as well, did not oppose effectively the foundation or Coup d'État of 1963/64. They left the reaction to the UN, who did not think of establishing the situation provided in the treaties mentioned but froze and sanctioned the situation brought about by the Greek action and the reaction of the Turkish Cypriots. By recognizing moreover the Greek usurpatory leadership as the legitimate government of "Cyprus", the UN accepted its claim of sovereignty over the whole island. Although connected with the reservation of a prohibition of the use of force in realizing this claim, the UN has disapproved the Turkish claim for self government and encouraged Greek strife for superiority. Almost all States adopted this stance. By this policy, the Cyprus Conflict was cemented and kept open without a realistic chance for an agreed solution. When, as a consequence, strong Greek forces attempted in 1974 to break the Turkish resistance by use of violence, it were Turkish soldiers who, by initiating the double-exodus mentioned, created the territorial precondition for a Turkish Cypriot State and for a permanent ban on violence in the island. |
5 | Die „Staatenfamilie“ setzt sich seither erfolglos für eine „Lösung“ auf der Grundlage der territorialen Teilung und einer auf die Volksgruppen verteilten Staatsgewalt ein. Sie verhindert aber selbst eine belastbare Einigung, indem sie an der Illegalität der türkischen Reaktion festhält und die Zyperngriechen in ihrer Superioritätsideologie bestärkt. Diese seit Jahrhunderten von der griechisch-orthodoxen Kirche fanatisch mitgetragene Ideologie steht Kompromissen im Wege, die unter zyprischen Verhältnissen ohnehin weitere Konflikte vorprogrammieren würden. Die Europäische Union verschärfte den Konflikt und die internationale Diskriminierung der Zyperntürken weiter durch Aufnahme der usurpatorischen südzyprischen griechischen Republik unter ihre Mitglieder. | Since then, the "Family of States" tries unsuccessfully to promote a "solution" on the basis of territorial partition and of sovereignty devided between the Communities of the island. It is, however, this "Family of States" itself that prevents a viable agreement by insisting on the illegality of the Turkish reaction and reassures the Greek Cypriot ideology of supremacy. This ideology, which has been fanatically supported by the Greek Orthodox church throughout centuries, stands in the way of a compromise which would, under the conditions prevailing in Cyprus, include the source for more conflicts in the future. The European Union aggravated the conflict and the international discrimination of the Turks of Cyprus by accepting the usurpatory Greek Republic of South Cyprus among its members. |
6 | Bei dieser Lage kann zwar der anhaltende internationale Druck auf die türkische Seite allenfalls zu einer Art oktroyierter Vereinigung Zyperns führen, die allerdings nicht nur den Keim sondern ein ausgewachsenes Embryo einer Fortsetzung des Konflikts in sich trägt. Auf eine dauerhafte Lösung besteht stattdessen nur dann eine - allerdings gute - Aussicht, wenn die Staatenfamilie die völkerrechtliche Existenz und Gleichberechtigung des griechisch-zyprischen und des türkisch-zyprischen Staates anerkennt und ihre Annäherung, die eines Tages auch zur Wiedervereinigung führen könnte, der beiderseitigen Erkenntnis langfristiger realer gemeinsamer Interessen überläßt. Man erinnere sich, daß sogar die Wiedervereinigung des geteilten Deutschland durch die Anerkennung der vom Sowjet Block abhängigen "Deutschen Demokratischen Republik" als souveräner Staat zumindest erleichtert worden ist. Bereits ohne diese Anerkennung denkt niemand ernsthaft an eine Rückvermischung der Volksgruppen oder eine grundlegende territoriale Veränderung auf Zypern, die nicht von beiden Volksgruppen vereinbart wird. Daher brächte die Anerkennung, vom Verlust der Aussicht auf Vorherrschaft über die Zyperntürken abgesehen, auch für die griechische Seite keine realen Nachteile. | In this situation the continuing international pressure on the Turkish side cannot lead to anything better than a kind of imposed union of Cyprus, which would carry not only the seed but a veritable embryo for continued conflict in the future. Instead, a solid and durable solution can only and may well be anticipated if the family of States recognizes the existence and equal status in international public law of both the Greek and the Turkish States of Cyprus and leaves their reconciliation to their mutual perception of long term true common interests, which may one day even result in reunification. It may be remembered that even the reunification of the devided Germany was at least facilitated by recognizing the "German Democratic Republic", which had depended on the support of the Sowjet Bloc, as a sovereign State. Even without recognition, noone seriously believes in the communities returning to their previous intermingled existence or in a substantial territorial change in Cyprus, unless it was agreed upon by both communities. Therefore, outside of their loss of any prospect of enjoying superiority over the Turkish Cypriots, recognition would not provide any real disadvantages for the Greek side. |
7 | Eine eigehendere Darstellung und Würdigung des Zypernkonflikts findet sich in dem in dieser homepage enthaltenen Artikel "Zypernkonflikt - Überblick 2007" | For a more detailed description and evaluation of the Cyprus Conflict vide the article "Cyprus Conflict - overview 2007" contained in this homepage. |