England und der Zypernkonflikt

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Assoziierung der deutschen Regierung mit einer Desinformation durch die Bundeszentrale für Politische Bildung zum Zypernkonflikt.

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2014 12 20 - 2015 02 21



0 In der Internet-Veröffentlichung der Bundeszentrale für Politische Bildung findet sich ein irreführender Beitrag von Heinz A. Richter über den Zypernkonflikt. Am 15.4.2014 bat der Verfasser die Zentrale um den Abdruck einer Gegendarstellung. Die Bitte wurde abgelehnt. Am 30.9.2014 wandte sich der Verfasser mit einer Aufsichtsbeschwerde an das Bundesinnenministerium und das Bundeskanzleramt, die er unter anderem wie folgt begründete:

"Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 17.8.2010 (1 BvR 2585/06 - Rn. 23 f.) das legitime Informationshandeln im Rahmen der Staatsleitungsaufgabe als 'kompetenzielle Rechtsgrundlage' herausgestellt, 'auf der die Tätigkeit der Bundeszentrale überhaupt fußt'. Sie läßt auch wertende Unterscheidungen zwischen Meinungen zu, wenn diese 'Ausgewogenheit und rechtstaatliche Distanz … wahren'. Unterscheidungen dürfen Qualität und Repräsentativität maßgeblich sein lassen, insbesondere dürfen Extremmeinungen und solche, die von der Wissenschaft nicht ernst genommen werden, unberücksichtigt bleiben. Von vornherein augeschlossen sind Äußerungen, 'die allein dem Bestreben dienen, eine … von der Bundeszentrale für richtig gehaltene Geschichtsinterpretation zur Geltung zu bringen und als einzig legitim oder vertretbar hinzustellen'. (Die Bezugnahme dieser Stelle auf 'Äußerungen gegenüber Einzelnen' ergibt sich aus dem Zusammenhang des Beschlusses in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren, der Sache nach und insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Augewogenheitsgebots dürfte der Ausschluss aber erst recht für Äußerungen gegenüber der Allgemeinheit gelten.) Das gebietet die Erhaltung der Glaubwürdigkeit und Integrität sowie des Ansehens der Behörde als zuverlässig und ausgewogen. (Daraus kann sogar folgen, dass sich die Zentrale von ihr zuzurechnenden Beiträgen distanzieren muss.) Maßnahmen der Zentrale müssen jedenfalls die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips beachten.

Die oben zitierte Darstellung [der Bundeszentrale] ist unausgewogen."


Im folgenden wird die Begründung der Eingabe an die Bundesregierung wiedergegeben, die aufzeigt, worin die der Bundesregierung zuzurechznende Irreführung der Öffentlichkeit über den Zypernkonflikt durch die Veröffentlichung der Bundestentrale für politische Bildung besteht.
1 1. Plebiszit 1950 in Ordnung, England an allem schuld ?

Die Veröffentlichung behauptet, der Zypernkonflikt sei durch die Kolonialpolitik Englands provoziert. Im einzelnen stellt die Veröffentlichung den historischen Verlauf wie folgt dar:
1.1 a) Zyprische „Selbstbestimmung“ auf Griechisch.

1950 habe sich in einem auf Zypern veranstalteten Plebiszit „eine überwältigende für die Vereinigung [Zyperns] mit Griechenland“ ausgesprochen.

Indem diese Darstellung unerwähnt läßt, dass in Zypern seit fast 400 Jahren eine ethnisch, religiös, kulturell und poli-tisch eng verbundene und gegen die griechische Bevölkerung abgegrenzte türkische Volksgruppe ansässig ist, zu der 1950 etwa 18% der zyprischen Bevölkerung gehörte (1), erzeugt sie ein unzutreffendes historische Bild. „Überwältigend war nämlich die „Mehrheit der Zyperngriechen“. Die BPB-Darstellung blendet aus, dass mit der Vereinigung mit Griechenland eine Unterwerfung der türkischen Volksgruppe unter griechische Regierungsgewalt verbunden gewesen wäre. Eine solche Unterwerfung ist mit dem existenziellen Interesse der türkischen Volksgruppe an Sicherheit, Selbstbestimmung unvereinbar, das durch das Ausmaß und die Permanenz der historischen griechisch-türkischen gewaltsamen Auseinandersetzungen und das Schicksal der ethnischen Türken in Griechenland bestimmt ist. Die Unterwerfung widerspricht auch dem türkischen Selbstverständnis, das auf der mehr als dreihundertjährige Zugehörigkeit der Insel zur Türkei bis zur Übernahme durch England (1878) geprägt ist. Demgegenüber berichtet die verständnisarme Darstellung der BPB an anderer Stelle irreführend lediglich von „Misstrauen“ und „Befürchtungen“ der türkischen Zyprer.

Entgegen der Darstellung der BPB ist der Konflikt zwischen dem griechischen Herrschaftsanspruch über die Insel, der vor allem von der zyprischen Kirche seit Beginn des 19. Jahrhunderts vehement propagiert wurde, und der türkischen Opposition daher nicht das Ergebnis englischer Politik. Die griechischen Zyprer haben den Konflikt durch das Plebiszit von 1950 wiederbelebt, als die weltpolitische Lage der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dazu Gelegenheit bot.
1.2 b) „Divide et impera“ auf zypern-griechisch.

Die Veröffentlichung der BPB führt aus: Im Zusammenhang seiner Zypernpolitik habe England darauf hingewiesen, Zypern sei „auch eine Angelegenheit der Türkei“, und versucht, „die Mutterländer gegeneinander auszuspielen“. Dadurch habe England Ankara zum „Mitspieler im Poker um Zypern“ gemacht und einen griechisch- türkischen Konflikt und insbesondere die türkische Ankündigung ausgelöst, falls „sich am Status von Zypern etwas ändere, müsse Zypern an die Türkei zurückgegeben werden. Die Darstellung fährt fort: Großbritannien habe seine divide et impera-Politik nicht nur gegenüber Athen und Ankara, sondern es habe nun auch die Volksgruppen auf Zypern gegeneinander ausgespielt.

Diese Darstellung stellt England unzutreffend als Urheber einer Teilung dar, die in Wirklichkeit das Ergebnis einer zweihundert Jahre alten griechisch-zyprischen radikalen und intransigenten (2), bereichsweise blutigen nationalistischen Agitation ist. Die dadurch erzeugte Spannung war seit 1878 gerade durch die englische Oberhoheit bewältigt worden. Sie wurde seit 1950 durch den charismatischen, fanatisch helle-nistischen Erzbischof Makarios III einem neuen Höhepunkt zugeführt, der sich der mörderischen, von Georgios Grivas konspirativ-militärisch organisierten Untergrund-Gewaltorga-nisation EOKA bediente (3). Teilung Zyperns war (und bleibt sie bis heute) die Konsequenz einer auf griechische Herrschaft über die sich widersetzende türkisch-zyprische Volksgruppe gerichteten nationalistischen Zypernpolitik.

Entgegen dem Artikel der BPB begründete auch nicht englische Politik sondern Bedrohung und Verfolgung der Zyperntürken durch die eine griechisch-nationalistischen militante Macht 80 km von ihrer Küste entfernt das politische Interesse der Türkei.
1.3 c) Gewalt auf Zypern.

Die BPB-Veröffentlichung wirft England - ebenfalls unter dem Stichwort des „gegeneinander Ausspielens“ - vor, um „eigene Kräfte zu sparen“ eine Polizeieinheit aus türkischen Zyprern gebildet und eine türkische bewaffnete Untergrundorganisation geduldet zu haben, „deren Einsatz zwangsläufig zur Konfrontation mit der EOKA führte“.

Solange die britische Regierung für Frieden auf der Insel verantwortlich war, hat sie angesichts der vorstehend zu b) beschriebenen Lage folgerichtig die Hilfe der Zyperntürken gegen den griechischen Aufstand und die Hilfe der Türkei gegen griechische Zypernpolitik gesucht. Der in der Formel des „gegeneinander Ausspielens“ enthaltene Vorwurf der Konflikt-Urheberschaft ist daher eine ungerechtfertigte Diffamierung. Die Darstellung einer „Schonung englischer Kräfte“ verbiegt die Wahrheit durch Verschweigen des Blutopfers britischer Soldaten in den 1950er Jahren, die sich mit großer Tapferkeit für Frieden auf der Insel gegen die griechischen Terroristen eingesetzt haben (4).

Die Darstellung der BPB ist ferner unwahrhaftig indem sie verschweigt, dass es die griechische Terroristenorganisation EOKA des Georgios Grivas war, die nach fünfjähriger Vorbereitungszeit im Jahre 1955 damit begann, das Ziel der ENOSIS mit organisiertem Mord und Totschlag gegen Engländer und oppositionelle, seien es türkische oder griechische Zyprer zu verfolgen. Die EOKA brannte alsbald die türkischen Wohngebäude in 33 Dörfern nieder und vertrieb ihre türkischen Bewohner. Der Aufbau der türkischen Gegenorganisationen (Volkan, TMT) und deren bewaffneter Widerstand war nicht Anlass sondern Folge der griechischen Aggression, die sich auch gegen widerstrebende Griechen wandte und auch ganze griechische Dorfbevölkerungen zur Flucht zwang. (5) Die in der Veröffentlichung der BPB zu lesende Wendung, der Einsatz türkischer Kräfte habe zur Konfrontation mit der EOKA geführt, ist daher eine geradezu zynische Verdrehung der Verhältnisse.
1.4 d) England Sündenbock für Mittelmeer-Konflikte überhaupt ?

Nach der Veröffentlichung der BPB soll das „Ausspielen der Mutterländer“ auch 1956 „den griechisch-türkischen Minoritä-tenkonflikt“ ausgelöst haben, zu dessen Opfer die Istanbuler Griechen wurden. Dieses Ausspielen und eine britische Kolonialpolitik des divide and rule wird auch als Ursache von Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Griechen Istanbuls und „letztendlich jene[r] beiden anderen Konflikte“ dargestellt, „die bis heute die Region plagen“.

So sehr Griechenpogrome zu verurteilen waren, so unberechtigt ist es, sie England in die Schuhe zu schieben.
1.5 e) Politische Unbekümmertheit der BPB homepage.

Der ungerechtfertigte Vorwurf auf der homepage der BPB an die britische Kolonialpolitik ist geeignet, das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu England zu belasten, wobei - abgesehen von der Haltlosigkeit des Vorwurfs - deutsche politische Interessen, die ein solches Risiko rechtfertigen könnten, nicht einmal am Rande berührt sind.

Bezeichnend für die Qualität ihrer Betrachtungsweise ist übrigens, dass die BPB-Publikation den Zypernkonflikt, der eine durch Interessenverfolgung bedeutender regionaler und überregionaler Mächte gekennzeichnete Aufgabe für verantwortungsvolle, sorgfältige und rationelle internationale Friedenspolitik darstellt, als „Pokerspiel“ einordnet.
2 2. Griechen leiden, Nato und Türkei mindestens mitschuldig ?

Die BPB-Veröffentlichung stellt Nato und Türken als Schuldige an Verschärfungen des Zypernkonflikts nach 1960 dar.
2.1 a) Konfliktverantwortung des am Schwanz gezogenen Tigers.

Die Vertiefung des Zypernkonflikts 1960 bis 1964 wird in der BPB-Veröffentlichung als Veranstaltung des türkischen Militärs dargestellt, dessen Repräsentant der Führer der Zyperntürken Denktas gewesen sei.

Damit wird verdrängt, dass es die Verbindung der griechi-schen Forderung nach Herrschaft über die Inseltürken mit den Gewalttaten der EOKA seit 1955 gewesen ist, der sich die Zyperntürken unter Führung von Rauf Denktas und mit Hilfe der Türkei widersetzten. Es bedurfte nicht der im Artikel behaupteten „Verordnung“ der Türkei, um die Verteidigungsanstrengungen der türkischen Zyprer hervorzurufen.

Um zu verschleiern, dass der Konflikt in griechischer Aggression und türkischer Verteidigung besteht, enthält die BPB-Veröffentlichung Ross und Reiter vernebelnde Wendungen, wonach Dinge einfach „geschahen“, ein Konflikt „ausbrach“, „beide Seiten“ Pläne entwickelten, Eskalation „durch Provo-kation und Gegenprovokation“ stattfand, „Extremisten beider Seiten“ den Konflikt anheizten, Ausschreitungen „eskalierten“. Rührend ist die Beteuerung, der „Akritas“-Aggressions- Umsturz- und (hilfweise) Vernichtungsplan (dazu Fußnote 9) sei nicht auf Genozid gerichtet gewesen, wenn man die griechischen Morde, Vertreibungen und Belagerungen der türkischen Zyprer betrachtet, die auf Grund dieses Plans 1963/64 tatsächlich stattgefunden haben (6).
2.2 b) Entlarvung der Republikgründung (1960) als Scheinlösung.

Die BPB läßt die Vereinbarungen von Zürich und London von 1959/690, an denen die Zyprer nicht beteiligt worden seien, als Scheinlösung bezeichnen, weil sie hauptsächlich ... Interessen der NATO und der Erhaltung britischer Militärpräsenz gedient und die Krise dadurch verschärft hätten.

Die griechischen und türkischen Zyprer waren entgegen der schlicht falschen Darstellung der BPB intensiv und maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt (7). Dem Griechenführer Makarios wurde eine entscheidende Rolle eingeräumt, ohne seine Zustimmung wären die Vereinbarungen nicht zustande gekommen. (8)

Der offen zutage liegende Kern der Lösung von 1959/1960, der in einer Verfassung griechisch-türkischer Mitbestimmung über Zypern bestand, bedurfte keiner Scheinheiligkeit. Scheinheilig war vielmehr die Unterschrift des griechischen Hauptbeteiligten, der die Mitbestimmungs-Lösung unterschrieb, während er an dem damit unvereinbaren Ziel der Vereinigung mit Griechenland und damit an der Überwältigung des türkischen Selbstbestimmungsanspruchs festhielt (9).

Freilich erhält ein an die Nato-Familie und damit an England gerichteter Scheinheiligkeits-Vorwurf nachträglich Nahrung, indem diese der griechische Politik einer Vereitelung der Mitbestimmungs- Lösung von 1960 nicht entgegentrat, selbst als diese Politik im April 1963 mit der Ausschaltung des zyprischen Verfassungsgerichts durch die griechisch-zypri-schen Regierungsorgane höchst wirksam in Erscheinung trat. Die Völkerfamilie hat sich vielmehr die griechische Bemächtigung Zyperns durch Aufnahme des ab 1964 neu geschaffenen griechisch-zyprischen Staates in die EU zueigen gemacht.
2.3 c) Das Märchen von einer komplizierten Verfassung.

Die BPB gibt bekannt: die „hochkomplizierte Verfassung konnte nicht funktionieren“.

Selbst ein Laienvergleich mit einer Bundesstaatsverfassung wie dem Grundgesetz ergibt: Die zyprischen Verfassung von 1960 enthält über die vorbildlich formulierten Normen demokratischer Rechtsstaatlichkeit hinaus Artikel zur Gewährleistung türkischer Mitbestimmung, die nicht komplizierter sind als solche, wie sie eine föderale Verfassung kennzeichnen. Es war ihre inhaltliche Ablehnung durch die griechische Mehrheit, die ihre Nichtanwendung zur Folge hatte. Das ergibt sich daraus, daß nur ein einziger wichtiger Disput über die Auslegung solcher Artikel vor das Verfassungsgericht gelangte (10).
2.4 d) Der Konflikt „bricht offen aus“.

Die BPB läßt wissen: „Der Konflikt brach 1963 offen aus, als Makarios 13 Verfassungsänderungen, darunter die Abschaffung des absoluten Vetorechts des türkischen Vizepräsidenten, durchsetzen wollte .... Diesen Vorstoß bereits als Verfas-sungsbruch oder Aufkündigung der staatlichen Gemeinschaft zu bezeichnen, .... scheint ... weit übertrieben: Auch die britische Regierung war für eine Verfassungsrevision...“

Hier werden die „Vorschläge“ einer Konfliktpartei, die sich seit 1955 ff zur Durchsetzung ihrer Interessen der blutigen Unterstützung der EOKA bedient hatte, zur Abschaffung des konfliktrelevanten Kerns der Verfassung von 1960 dadurch verharmlost, dass der Zusammenhang dieser „Vorschläge“ mit sofort einsetzenden Gewaltmaßnahmen zu ihrer Durchsetzung durch bewaffnete griechische Untergrundorganisationen ab Weihnachten 1963 unterdrückt und insbesondere verschwiegen wird, dass der oben erwähnte griechische Agressionsplan („Akritas“) den „Vorschlägen“ vorausging. Dieser Täuschungs-versuch liegt der Leugnung zugrunde, dass bereits die Duldung dieser Bürgerkriegsaggression durch die griechisch-zyprischen Regierungsorgane einen massiven Verfassungsbruch vom Rang einer Revolution darstellt. Im Zusammenhang des antibritischen Grundtons der Veröffentlichung überrascht übrigens, dass bereits eine angebliche englische Meinung genügen soll, die Revolution zu rechtfertigen.
2.5 e) BPB-Version von Vertreibung und ethnischer „Säuberung“.

Die BPB-homepage berichtet: „Anfangs kam es aus Angst vor Übergriffen der griechischen Extremisten spontan zum Auszug türkischer Zyprioten aus den gemischt besiedelten Orten. .... Zögernden brachte die TMT mit ‚geeigneten‘ Mitteln bei, welches der richtige Weg sei.... Die politisch unkluge Reaktion der griechisch-zypriotischen Führung, Blockaderinge um die türkisch-zypriotischen Enklaven zu legen und so die Bewohner von lebenswichtigen Ressourcen abzuschneiden, verschärfte noch die Tendenz zur Teilung.“

Das erinnert an die Vertreibung der Ostdeutschen 1945, die sich in diesem Stil wie folgt beschreiben liesse: Anfangs kam es aus Angst vor Übergriffen der siegreichen Russen, Polen und Tschechen spontan zum Auszug von Ostpreussen, Mecklenburgern, Brandenburgern, Schlesiern und Sudetendeutschen aus ihrer Heimat. Die politisch unkluge Reaktion, die Deutschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben, ihrer Habe zu berauben und einige zu verletzen und zu töten, verschärfte noch die Tendenz. Einzelne selbst dann noch Zögernde mußten zur Flucht überredet oder gar gezwungen werden.

Dass Fluchtbewegungen der Zyperntürken von 1964 und 1974 auf die Gewalttaten von 1955 und 1964 sowie auf ihre Blockierung in Enklaven im Jahre 1964 folgte, ergibt die Unwahrhaftigkeit der ganzen Geschichte auf der homepage der BPB.
2.6 f) Zur Autor- und Urheberschaft der Teilung Zyperns.

Auf der homepage der BPB ist zu lesen: „schon bald wurde dieser“ [vorstehend zu e) erwähnte] „Exodus durch die Führung der türkischen Volksgruppe instrumentalisiert und zu einer systematisch betriebenen Politik. ... Im Nachhinein wird klar, dass hier ein politischer Kurs gesteuert wurde, der längerfristig auf die Teilung der Insel zielte“.

In der Tat wurde der seit hundert Jahren unüberhörbar propagierte griechische Herrschaftsanspruch über die Zyperntürken und die Bereitschaft, ihn mit jedem „nötigen“ Grad an Brutalität einschließlich Mord und Vertreibung durchzusetzen, durch die griechisch-zyprischen blutigen Gewaltmaßnahmen von 1955 ff. und 1963/1964 bestätigt und damit eine Teilung der Insel als einzige Lösung zur Gewährleistung nicht nur von Selbstbestimmung sondern von Leib, Leben, Habe und Sicherheit der Zyperntürken erwiesen. Kein Türkenführer sondern die griechische Gewalt-„Politik“ initiierte und steuerte den politischen Teilungskurs, der in der Außerkraftsetzung der Vereinbarungen von 1959/1960 und der mit ihnen verbundenen zyprischen Verfassung von 1960 durch die griechischen Verfassungsorgane seine Entsprechung erhielt. Wenn am Ende die Insel geteilt und die ethnischer Trennung vollzogen wurde, so ist das die Konsequenz des intransigenten, kein Durchsetzungsmittel verschmähenden, Generationen überdauernden griechisch-zyprischen Vorherrschaftsanspruchs und der türkischen Entschlossenheit, Selbstbestimmung, zumindest aber Mitbestimmung und allermindestens Sicherheit und Ordnung ebenfalls mit allen Mitteln zu verteidigen. Es bekommen diejenigen Recht, die auf Grund zutreffender Würdigung der Verhältnisse und Voraussicht schon seit vor 1959 einer Teilung der Insel den Vorzug gegeben hätten.

Wenn übrigens die USA, wie die Veröffentlichung der BPB auch erwähnt, im Einvernehmen mit England vorschlugen, den Zyperngriechen ihren Herrschaftswillen gegen territoriale Entschädigung der Türken zu lassen (sogenannte „doppelte ENOSIS“), so entsprach das im Kern der einzig möglichen, mit Aufrechterhaltung türkisch-zyprischer Existenz verbundenen Lösung einer territorialen Teilung, von der die Völkerfamilie leider später nichts mehr wissen wollte, bis Außenminister Kissinger - nach dieser Veröffentlichung ausdrücklich, weil er „nichts gegen die Beseitigung eines Krisenherds einzuwenden hatte“ - die türkische Intervention von 1974 duldete.
3 3. Griechischer Annektionsversuch und Intervention von 1974.

In der Darstellung der BPB erscheint die türkische Intervention auf Zypern vom Juli/August 1974 als Realisierung einer expansionistischen Politik, zu deren Rechtfertigung die Türkei angloamerikanisch unterstützte griechische Provokationen und Fehler als Vorwand benutzt habe.
3.1 a) Gespenst eines türkischen Expansionismus lenkt von griechischer Usurpation ab.

Nach der Veröffentlichung der BPB führten „die expansionistischen Bestrebungen der Türkei ... zum negativen Höhepunkt“ des Konflikts, als die griechische Junta die Annexion gewaltsam in die Wege leitete und die Macht in Zypern dem prominenten Terroristen und Türkenkiller Sampson übertrug.“... Aber „die Aufregung über Sampson war ... nur ein bequemer Vorwand - die türkische Invasion war schließlich seit 1964 von langer Hand vorbereitet worden.“

In der türkischen Politik seit Atatürk findet man zahlreiche Anzeichen, die gegen und kaum solche, die für Expansionsgelüste dieses Landes sprechen, für das ein niemals geltend gemachter historischer Anspruch auf ganz Zypern gar nicht so fern gelegen hätte. Wohl aber ist die Vorbereitung einer militärischen Intervention auf Zypern durch die Türkei angesichts der die ganze jüngere Geschichte Zyperns durchziehenden griechischen Annexionspolitik und des 1960 völkerrechtlich vereinbarten Interventionsrechts der Türkei auf Zypern geradezu eine Selbstverständlichkeit. Folgerichtig war auch die Intervention selbst nach dem Scheitern von Kompromissversuchen, denen sich die Türkei nicht versagt hat, und nachdem das Scheitern im griechischen Annexionsversuch von 1974 endgültig geworden war. Sie bedurfte keines „Vorwandes“.
3.2 b) Schlechte Noten für Ministerpräsident Ecevit.

Die zweite Phase der türkischen Invasion war nach der Veröffentlichung der BPB durch nichts zu rechtfertigen, da die Ursachen, die zur ersten Phase geführt hatten, beseitigt waren: Die Militärdiktatur in Griechenland war kollabiert, eine demokratische Regierung installiert, und auf Zypern war der Putsch in sich zusammengebrochen; die zweite Phase war ein Akt gewaltsamer Expansion. Hätte“ [der türkische Ministerpräsident] „Ecevit sich“ [nach Errichtung eines türkischen Brückenkopfs auf Zypern durch die Intervention vom Sommer 1974] „mit der Wiederherstellung des Status quo ante zufrieden gegeben, hätte er sich“ nach dieser Ansicht „als großer Staatsmann erwiesen.“

Die Ursache für die Intervention bestand nach der ersten Phase der türkischen Intervention fort, denn sie bestand - und besteht bis heute - im unveränderten griechischen Vorherrschaftsanspruch. Nach wie vor beherrschte griechische Übermacht die Insel. Der status quo ante der griechischen Vereinnahmung Zyperns von 1974 wäre ohne die zweite Interventionsphase wiederhergestellt worden, denn der bis dahin geschaffene türkische Brückenkopf auf der Insel war weder logistisch noch politisch zu halten. Durch die zweite Interventionsphase erhielt die von griechischer Seite 1963 endgültig vollzogene Beendigung einer Mitbestimmungsgemeinschaft (wie sie in der Ablehnung des Annan-Plans von 2003 nochmals bestätigt wurde) die territoriale Entsprechung als die einzige Form, in der den türkischen Zyprern nicht nur Selbstbestimmung (die griechischen Zyperer hatten Selbstbestimmung ohne Beeinträchtigung durch türkische Mitbestim-mungsrechte bereits usurpiert) sondern vor allem Rechtssicherheit in einem ihre Sicherheit schützenden Staat gewährleistet werden kann.
4 4. Quellen und Referenzen.

Dass die Veröffentlichung der BPB Hinweise auf Literatur zum Zypernkonflikt vermeidet, indiziert nicht nur Fragwürdigkeit ihrer Thesen sondern auch einen Mangel der Qualität, die eine BPB zur Voraussetzung einer Veröffentlichung zu einem wichtigen Thema machen sollte. Die im obenstehenden Text in Bezug genommenen, folgenden Fußnoten geben Hinweise.

(1) Pavlos Tzermias, Geschichte der Republik Zypern, 1991, S. 67-73. Tzermias, Mitglied der Akademie Athen, ist ein 1925 in Thessaloniki geborener Geschichtslehrer an den Universitäten Freiburg und Zürich (1964-1992) und Journalist der NZZ (1964-1995). Siehe auch Peter Zervakis, Historische Grundlagen, in: Grothusen u.a. Hrsg., Zypern, 1998, S. 79-83. Zervakis, geboren ca 1960, ist Experte der Hochschulrektorenkonferenz für Studium und Lehre.

(2) Tzermias 36, 46 f. Den griechischen Terroristen war jedes Mittel recht, Ludwig Dischler, Die Zypernfrage, 1960, S. 48; Dr. Dischler (*1893) war Völkerrechtler aus der Schule von Rudolf Laun; seine hervorragende dichte und ausführlich belegte Arbeit ist die erste deutsche wissenschaftliche Darstellung des Zypernkonflikts aus einer Zeit, in der der Konflikt in der deutschen Öffentlichkeit eher als exotisches Ereignis wahrgenommen wurde.

(3) Einzelheiten der Durchführung sind in den von Charles Foley herausgegebenen Memoiren des Generals Grivas, 1964, passim, ausführlich beschrieben.

(4) Im Kampf gegen den griechischen Terror der 1950er Jahre, der 620 Menschenleben kostete, starben 142 britische Soldaten, Dischler, S. 54.

(5) Hierzu Dischler S. 48-55, insbes. S. 53 ff.; Nancy Crawshaw, The Cyprus Revolt, 1978, Kapitel IV bis VI, insbes. S. 302 ff.; John Reddayway, Burdened with Cyprus, 1986, S. 111; Necati Ertekün, In Search of a Negotiated Cyprus Settlement, 1981, S. 5. Crawshaw war eine für ihr Judiz und für Objektivität bekannte Privatgelehrte und politische Publizistin, Reddaway (1916-1990, CMG, OBE, war als langjähriger Chefberater der britischen Verwaltungen in Palästina und vor Ort in Zypern einer der besten, wenn nicht der beste gegenüber griechischen und türkischen Interessen objektive (mit einer Griechin verheiratete) Kenner des Zypernkonflikts; Ertekün (QC, OBE) war in hohen Ämtern auf türkisch- zyprischer Seite engagierter aber auch bei Griechen hoch angesehener Jurist und Diplomat.

(6) Ausführlich Richard A. Patrick, Political Geography and the Cyprus Conflict 1963-1971, 1976 ab S. 48. Dr. Patrick war bei seinem frühen Tod hoch anerkannter kanadischer Hochschullehrer; seine Arbeit beruht auf seinen Erkenntnissen als UN-Offizier der militärischen UN-Mission auf Zypern.

(7) Tzermias widmet dieser Beteiligung in seiner Geschichte Zyperns die Seiten 163 bis 175 und 178 bis 182.

(8) Tzermias S. 181 f.

(9) Die wirklichen Absichten der griechisch-zyprischen Führung kamen bereits in Äußerungen von Makarios vom 5.1. und 25.8.1962 zum Ausdruck und sind in aller Klarheit im „Akritas-Plan“ von Anfang 1963 (im vollen Wortlaut abgedruckt in der Autobiographie des politischen Nachfolgers von Makarios, Glafkos Clerides, „Cyprus: My Deposition“, Vol. 1, 1989, S. 212-219) festgelegt, der die gewaltsamen, ab Ende 1963 ins Werk gesetzten griechischen Umsturzmaßnahmen in allen Einzelheiten beschreibt.

(10) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Zyprischen Verfassungsgerichts Bd. 1- 5 1960-1963, Hrsg.: Printing Office oft he Republic of Cyprus.
5 Neben den hier genannten und anderen Publikationen der zitierten Autoren setzt eine ausreichend begründete Würdigung des Zypernkonflikts eine gründliche Auseinandersetzung mindestens mit Veröffentlichungen von Feyzioglu, Purcell, Franz Georg Maier, Polyviou, Clerides, Denktas und Grivas voraus.


Post Scriptum

6.1 Um einem möglichen Einwand zuvorzukommen, möchte ich bestätigen, dass meiner Anregung einer Gegendarstellung keine subjektive Rechtsposition zugrunde liegt. Es geht auch nicht um Rechtmäßigkeit oder politische Richtigkeit des Verhaltens Beteiligter oder um Schuldzuweisungen, insbesondere auch nicht um Kritik an der Politik der Bundesregierung, so notwendig sie auch wären.

Keineswegs sollen oder dürfen mit dem zyprischen Bürgerkrieg verbundene Gräuel, Tod, Leid und Raub oder Schrecken militärischen Eingreifens, Vergewaltigungen und Gefangenenerschießungen geleugnet oder verharmlost oder soll oder darf gar ihre Billigung nahegelegt werden. Sie sind abscheulich, verachtenswert und unakzeptabel. Auch geht es nicht um eine Bewertung des Verhältnisses der Flächen der griechischen und türkischen Staaten auf der Insel in Relation zur Veränderung der Bevölkerungsverhältnisse durch erzwungene Migrationen zwischen 1955 und 1974, die sich wahrscheinlich mangels verlässlicher Quellen niemals exakt ermitteln lassen wird.

Es geht vielmehr allein um eine ausgewogene Darstellung und Würdigung von Tatsachen, Entwicklungen und Verhältnisse als Grundlage für jeden Versuch internationaler Friedenserhaltung (auch mit Bezug auf andere blutige Krisen, die die Welt unserer Zeit erschüttern). Jeder Versuch dieser Art muss dauerhaften Frieden versprechen und Ungerechtigkeiten möglichst weitgehend ausgleichen. Insoweit geht es allerdings auch um Interessen Europas, zumal diese mit Bezug auf die Türkei und ihre politische Entwicklung - ganz unabhängig von Bedenken gegen eine EU-Mitgliedschaft - durch die europäische Behandlung des Zypernkonflikts beschädigt worden sind. Für meine Wortmeldung möchte ich mich vor allem auf die ubiquitäre Forderung nach mehr politischem Engagement Einzelner berufen, soweit es sich dabei nicht um ein bloßes Lippenbekenntnis unter geheimem Vorbehalt des Gegenteils handelt.
6.2 Das Erfordernis einer Gegendarstellung zur Veröffentlichung der BPB ergibt sich unter anderem daraus, dass sogar die deutsche Schuljugend irreführenden Einflüssen einer Desinformation über den Zypernkonflikt unterworfen wird. Siehe dazu:

http://onlinestreet.de/99589-der-zypernkonflikt
http://www.lsg.musin.de/geschichte/!daten-gesch/20jh/nach-45/zypern.htm
http://www.amazon.de/Gr%C3%BCnde-Entstehung-Zypernkonflikts-m%C3%B6gliche-Zukunftsmodelle/dp/3656318476

Schließlich wird der unlängst veröffentlichten Aufforderung der Frau Bundeskanzlerin Merkel zu vermehrten Anstrengungen zur Lösung des Zypernkonflikts ein friedlicher Erfolg nur beschieden sein, wenn die Anstrenungen die ganze Wahrheit des Konflikts bewältigen.


Fortsetzung der Politik der Bundesregierung in Kenntnis der primär griechischen Verantwortung für den Zypernkonlikt.

7 Das Bundesinnenministerium hat die Eingabe des Autors dieser homepage mit Bezug auf die irreführende Darstellung des Zypernnkonflikts vom 1. Oktober 2014 viereinhalb Monate lang geprüft und am 16. Februar 2015 beantwortet. Der Wortlaut dieser Stellungnahme ist hier nachzulesen. Danach hatte die Prüfung des Bundesinnenministeriums folgende Ergebnisse:
7.1 a) Man finde in den Veröffentlichungen der BPB viele verschiedene Blickwinkel, Schwerpunkte und Meinungen. Dadurch werde die Vielfalt des Meinungsspektrums zum komplexen Thema abgebildet. Die Verantwortlichkeiten der türkischen und griechischen Seite würden klar benannt.

b) Durch die Veröffentlichung des Artikels von Richter habe die PBP meine Kritik angeregt und damit ihren Zweck erfüllt.

c) Die BPB habe mit mir wegen ihrer Darstellung des Zypernkonflikts einen eingehenden Briefwechsel geführt.
7.2 Dazu ist zu bemerken:
7.2.1 Zu a)

aa) Die vom Ministerium in Bezug genommenen Publikationen leiden an denselben Mängeln wie die Darstellung von Richter, zumindest bieten sie nicht die erforderliche Korrektur. Das gilt insbesondere für diejenigen des in griechischen Diensten stehenden Autors Faustmann.

bb) Das Ministerium hat die in dieser homepage wiedergegebene Gegendarstellung nicht infrage gestellt. Wenn sie dennoch die Verantwortlichkeiten der griechischen und türkischen Seite in den Veröffentlichungen der BPB „klar benannt“ sieht, so schließt sich die Bundesregierung damit der irreführenden Darstellung der BPB an, in der die primäre Verantwortung der griechischen Seite unterdrückt wird.

cc) Das entspricht der Beteiligung Deutschlands an der Usurpation ganz Zyperns durch die griechische Partei mit Hilfe ihres kontinuierlichen Vertrauensbruchs seit der Täuschung durch Abschluß der Zypernverträge von 1960 und an der Annektion ganz Zyperns durch die Aufnahme „Zyperns“ in die EU.

dd) Trotz der zwischenzeitlichen zusätzlichen Täuschung der EU vor allem zu Lasten Deutschlands über die Erfüllung der Voraussetzungen für den Beitritt zur Eurozone und die Gewährung von Hilfskrediten in Höhe von (in der wirtschaftlichen Wirklichkeit weit mehr als) 360 Milliarden Euro durch Griechenland unter gleichzeitiger Diffamierung, Beleidigung und Erpressung Deutschlands zieht und obwohl die Politik Deutschlands und der EU zur Abkehr der Türkei von dem ihr durch Atatürk vorgezeichneten Weg in die westliche Welt beigetragen hat, sieht die Bundesregierung keinen Anlass, Konsequenzen aus den sich häufenden Hinweisen auf die Verfehltheit dieser Politik zu ziehen.

ee) Die aus dieser Haltung folgende Fortsetzung der Politik der EU und Deutschlands einer Nichtanerkennung und Ghettoisierung der Türkischen Republik von Nordzypern trägt maßgeblich zur Permanenz von Unfrieden im östlichen Mittelmeerraum bei und behindert damit auch die Bekämpfung des Terrorismus in dieser Region.
7.2.2 Zu b)

Die Stellungnahme übersieht, dass Irreführung durch eine der politischer Bildung des Publikums dienende öffentliche Darstellung nicht bereits dadurch beendet oder berichtigt wird, dass die notwendige Gegendarstellung an den Irreführer gelangt.
7.2.3 Zu c)

Die Behauptung trifft nicht zu. Es gibt keine Äußerung der BPB gegenüber dem Autor dieser homepage, die sich in noch so geringem Umfang sachlich-konkret mit dessen Gegendarstellung beschäftigt.


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