Anti-Papalekas

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Gegen die Zypern-Propaganda des Professors Johannes Papalekas.

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1983 - Vorspann 2015 08 04



0 Johann Chr. Papaleka Zum Zypern-Problem - eine Herausforderung und verhinderte Entgegnung - ein hoffentlich nicht typisches Beispiel für bundesdeutsche politische Diskussiontskultur aus den Jahre 1980/1983, aber ein Dokument großer Aktualität nicht nur für den Zypernkonflikt sondern für die Art und Weise, in der Griechenland aus seiner Überschuldungskrise im Jahre 2015 Vorteil zu ziehen sucht.

Die Friedrich Naumann Stiftung und die Theodor Heuss Akademie boten in Gummersbach am 21. November 1980 Herrn Professor Johann Chr. Papalekas ein Forum für seine Stellungnahme zum Zypernkonflikt. Die Stiftung hatte zu dieser Veranstaltung zunächst im Hinblick auf seine Aufsätze "Der Zypernkonflikt, eine Bewährungsprobe westlicher Friedensordnung", Europa-Archiv, 1964, Seite 7-13 und "Zypern - eine Aufgabe für Athen und Ankara", Außenpolitik, 1966, Seite 624, auch den Verfasser dieses homepage-Beitrags eingeladen, dann aber gerade noch rechtzeitig wieder ausgeladen. Die überwiegend von der Bundesrepublik Deutschland finanzierte Südosteuropa-Gesellschaft hat die Stellungnahme von Papalekas unter der Überschrift "Geteiltes Zypern. Eine Herausforderung für den Westen" in Nummer 3/4 des Jahrgangs 1982 (Seite 105 ff.) ihrer Mitteilungen abgedruckt (hier im vollen Wortlaut wiedergegeben). Der Verfasser meldete sich 1983 mit einer Erwiderung zu Wort, deren Abdruck die Südosteuropa-Gesellschaft jedoch trotz Befürwortung zweier ihrer promintesten Mitglieder abgelehnt hat. Die der Südosteuropa-Gesellschaft angebotene Erwiderung lautete wir folgt:
Johann Chr. Papalekas zum Zypern-Problem - eine Herausforderung für den Leser.
1.Papalekas schreibt (Seite 105 f.), die Bewegung für den Anschluß Zyperns an Griechenland sei "der konsequente, der natürliche Ausdruck des kontinuierlichen Strebens der Griechen Zyperns nach Vereinigung mit den anderen Griechen in einem gemeinsamen Staat." Das sei die "Bekundung des Willens nationaler Selbstbestimmung". Damit schließt er sich Zielen und Motiven an, die das Denken und Handeln der griechischen Zyprioten vor und nach Gründung der griechisch-türkischen Zypernrepublik im Jahre 1960 bestimmten. Der vom Generalsekretär auf Veranlassung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ernannte Vermittler im Zypern-Konflikt Galo Plaza führt in seinem Bericht vorn 26. März 1965 (S/6253) folgendes aus (Seite 29):

It was and remains impossible to escape the impression that for a large body of the Greek-Cypriot leaders' following, and for many of the leaders themselves, the official demand for "full independence and elf-determination" had no other meaning than this: that Cyprus should be released from the treaty and constitutional obligations which limited her freedom of choice, whereupon she would opt by some accetable democratic procedure for union with Greece ... "


Zugleich kritisiert Papalekas in seinem in den Osteuropa-Mitteilungen abgedruckten Aufsatz (Seite 115) die Präambel des Grundgesetzes, das sich die Zypern-Türken 1975 gaben, weil diese Präambel sich darauf beruft, dass die Zypern-Türken ein Teil der türkischen Nation seien, der 1878 vom Mutterland losgerissen wurde.

Diese Argumentation genügt, um die Abwesenheit jeder Bereitschaft zu demonstrieren, auch nur zur Kenntnis zu nehmen, dass in Zypern auch Türken leben, die - wenn es für Griechen konsequent und natürlich ist, mit anderen Griechen in einem gemeinsamen Staat leben zu wollen und sich "national" selbst zu bestimmen - offensichtlich alles Recht haben, einer entsprechenden Konsequenz, Natürlichkeit und Nationalität teilhaftig sein zu wollen. Es verschlägt wenig, wenn Papalekas zugleich versichert, dass der zypern-griechische Wunsch nach nationaler "Selbstbestimmung" mit "megali idea" (heute) nichts (mehr) zu tun hat. Die Selbstverständlichkeit, mit der er unterstellt, dass für Türken noch lange nicht gilt, was Griechen als ihr Recht beanspruchen, führt mitten hinein in einen unzeitgemäßen Konflikt, den sich im Grunde weder die Vereinten Nationen, noch die eutro päische Völkergemeinschaft, noch die Griechen leisten können.
2. Papalekas durchsetzt seinen Aufsatz (zum Beispiel Seite 105 - 107) mit Hinweisen auf den Kampf um die Befreiung Griechenlands vom türkischen Joch, einem Kampf um die griechische Nationalität und Staatswerdung. Wer will diesem Kampf, der vor 150 Jahren gekämpft worden ist, seine Sympathie versagen? Welcher Abendländer wird sich nicht auflehnen gegen die Erinnerung an die türkische Eroberung des Balkans in der Zeit vorn 14. bis zum 17. Jahrhundert?

Schon ganz anders liegt es bei der Würdigung des ebenfalls im Namen eines griechischen Nationalismus vorgetragenen Kampfes eines gewissen Griechisch-Zyprioten namens Sampson, der sich brüstet, soundsoviele britische Soldaten auf Zypern mit eigener Hand (aus sicherem Hinterhalt) erschossen zu haben, ganz anders auch deshalb, weil das britische Regime mit dem der türkischen Eroberer Zyperns von 1571 (die damals die kaum besseren Venezianer verdrängten) nicht vergleichbar ist. Aber selbst einem Sampson wird man noch zugestehen müssen, dass es sich bei seinen Morden um einen Freiheitskampf handelte.

Bei den Massakern allerdings, die Griechen mit türkischen Zyprioten im Jahre 1963 und danach veranstaltet haben, fehlt jede Vergleichbarkeit mit den historischen Beispielen für jene bewunderungswürdigen griechischen Freiheitskämpfe, mit denen Papalekas seinen Aufsatz schmückt. In Zypern ging es für die Griechen seit 1960 niemals um Freiheit, die sie in diesem Jahr in jeder Hinsicht ohne Einschränkung erreicht hatten, sondern um Durchsetzung der Idee von Superiorität und Vorherrschaft, mit der die Griechen "beseelt" waren. Nichts fehlte den - nach Papalekas an die Wand gedrückten und verprellten - zyprischen Griechen seit 1960 an ihrer Freiheit, am "connubium" und "commercium", an jedweder Symbiose mit dem Mutterland oder an ihrem Wohlbefinden (sie hatten einen wesentlich höheren Lebensstandard als die Festlandgriechen). "Im zyprischen Siedlungsraum waren die Griechen stets absolut dominierend" (Papalekas, aaO. Seite 107). Vollkommen wirklichkeitsfremd ist daher das Bild von einer "Tyrannei der Minderheit", das Papalekas an anderer Stelle (Seite 112) an die Wand malt. Nur dieses eine fehlte: Die Griechen durften die Zypern-Türken in einigen Angelegenheiten nicht majorisieren. Was für ein Grund, um einen Bürgerkrieg vom Zaun zu brechen, der hunderte griechische und türkische Zyprioten das Leben kostete und hunderttausende zu Flüchtlingen machte !
3. Wie ungerecht, findet Papalekas, dass die Türkei, die 1923 auf Zypern verzichtet hatte, sich gleichwohl ihrer Landsleute in Zypern annahm, während Griechenland 1963 nicht nur seine Verpflichtung aus dem Garantievertrag mit Bezug auf den Kompromiss von 1959/60 vergaß, sondern alsbald 10.000 oder mehr Offiziere und Soldaten nach Zypern reisen ließ, um einen "Freiheitskampf" gegen vielleicht 3.000 oder 4.000 bewaffnete türkische Zyprioten zu führen.

Sonst ist es nicht weit her mit der Anhänglichkeit mancher Griechen gegenüber den Vereinigten Staaten. Aber dass Präsident Johnson im Jahre 1964 "eine strenge Warnung an die Adresse der türkischen Regierung" richtete, dass die Vereinigten Staaten die Wahrnehmung des Interventionsrechts und der Interventionspflicht der Türkei aus den Verträgen von 1960 und damit den Schutz der Zypern-Türken vor mörderischen Griechen verhinderte, das wird von Papalekas (Seite 114) begrüßt.

Uneingeschränkt würde man die Entrüstung Papalekas' über Ausschreitungen in der Türkei gegen Griechen in der Zeit um 1955 teilen, wenn nicht Papalekas zugleich (Seite 110) darauf aufmerksam machen würde, dass es sich um eine Reaktion auf griechische Bestrebungen gehandelt hat, Zypern von den Engländern exklusiv für sich zu vereinnahmen. Der Hinweis Papalekas' auf eine gewisse englisch-türkische Allianz soll ein Angriff auf die Engländer sein, in Wirklichkeit gereicht er diesen zur Ehre: Wie immer man über Kolonialismus denken mag, er war mit der Übernahme einer Verantwortung verbunden, der die Engländer im Falle Zypern ein Opfer gebracht haben. Wie viel leichter wäre es für sie gewesen, die Insel - wozu sie wiederholt versucht waren: im Jahre 1915 hatte Griechenland ein britisches Angebot abgelehnt, Zypern an Griechenland abzutreten - zu einem geeigneten Zeitpunkt an Griechenland zu überlassen. Aber England hatte die Insel mit dem griechisch-zyprischen Konflikt in nuce übernommen. Man muss es anerkennen, wenn England die Insel nicht ohne einen Versuch zur Lösung dieses Konflikts aufgeben wollte. Wie ungerecht - und kurzsichtig - dass Papalekas deshalb auch England die Freundschaft aufgekündigt.
4. Papalekas benutzt den Trick "haltet den Dieb", wenn er der Türkei schon für die Zeit vor 1974 (Seite 113) eine Politik der Teilung Zyperns vorwirft. Worin soll denn diese Politik bestehen ? Was hat die Türkei getan oder unterlassen, um Zypern zu teilen? Der gleichen Methode folgt auch das Lamento (Seite 119 des Aufsatzes von Papalekas) darüber, dass "man" jeglichen Kontakt zwischen Griechen und Türken Zyperns unterbunden und sie einander entfremdet hat sowie darüber, dass die Bevölkerungsgruppen, die Zypern mit Leben erfüllen müssen, nicht miteinander verkehren, gemeinsam arbeiten und leben dürfen.

Niemand anders als die Zypern-Griechen im Verein mit Griechenland haben Zypern geteilt, als sie 1963 die Verfassung von 1960 und die Garantieverträge dazu aufkündigten und zu einer brutalen Unterdrückungsaktion gegenüber der türkisch-zyprischen Volksgruppe schritten: Um zu einer richtigen Würdigung zu finden, erinnere man sich an die Fakten. Was ist geschehen? Zu den Normen der Verfassung von 1960, die eine gewisse Gleichberechtigung von griechischen und türkischen Zyprioten garantieren sollten, gehörte Art. 173, wonach in den fünf größten Städten getrennte Gemeindeverwaltungen für Griechen und Türken unterhalten werden sollten. Die Griechen aber wollten hier mit ihrer Vorherrschaft beginnen und beschlossen um die Jahreswende 1962/63 ein entsprechendes Gesetz, das die Zypern-Türken vor dem Verfassungsgericht angriffen. Als die Zypern-Griechen merkten, dass sie den Prozess verlieren würden, erklärte Präsident Makarios in einem Interview mit "Sunday Express" in den Tagen um den 10. Februar 1963, man werde die in dem (verfassungswidrigen) Gesetz formulierte Politik auch gegen ein Urteil des Verfassungsgerichts fortsetzen. Vorstellungen des Verfassungsgerichtspräsidenten bei Präsident Makarios am 13., 15. und 18. Februar 1963 führten zu nichts. Das Verfassungsgericht erklärte das verfassungswidrige Gesetz am 25. April 1963 für nichtig (siehe die Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Zyprischen Verfassungsgerichtshofs - "RSCC" - Band 5 Seite 59 ff). Bald darauf trat der Präsident des Verfassungsgerichts zurück: damit war das Verfassungsgericht funktionsunfähig. Im selben Jahre 1963 fasste die griechisch-zyprische Führung zusammen mit griechischen Armee-Offizieren den schriftlich in einigen Exemplaren niedergelegten, aber höchst geheimgehaltenen "Akritas-Plan", der im Zuge einer gegen Erzbischof Makarios gerichteten politischen Kampagne am 21. April 1966 in der griechisch-zyprischen Zeitung "Patris" veröffentlicht worden ist (vgl. auch Katsis in der Zeitung Philelefteros vom 10. November 1979). In einer Reihe nachfolgender Artikel in derselben Zeitung wurde enthüllt, dass Erzbischof Makarios die Verantwortung für die Durchführung des Plans übernommen hat, mit der er unter anderem den damaligen Innenminister Zyperns, Polycarpos Yorgadjis, beauftragte. In Teil A entwickelt der Plan ein Konzept, die angebliche Ungerechtigkeit der Arrangements von Zürich und London in der Weltöffentlichkeit zu propagieren, um die Beseitigung der "negativen Elemente" der Vereinbarungen von 1960 und insbesondere des Garantievertrages sowie ein griechisch-zyprisches Plebiszit vorzubereiten, wobei als Ziel "Selbstbestimmung" an die Stelle von "Enosis" treten sollte. In diesem Teil des Plans heißt es unter anderem: sobald der Garantievertrag beseitigt sei, werde es den Kräften des Staates (Polizei) und befreundeten Streitkräften möglich sein, jeder Intervention von innen oder außen zu begegnen. Teil B befasst sich mit dem "internen Aspekt", wo es unter anderem heißt; es sei dringend nötig, die griechisch-zyprische Organisation zu stärken, weil:

im Fall spontanen Widerstandes der Türken gehen wir das Risiko einer Panik unter den Griechen ein, wenn unser Gegenangriff nicht sofort einsetzt ... während die Türken vielleicht zu Verstand gebracht werden können, wenn wir unsere Stärke sofort zeigen ... Die gewaltsame und entschiedene Unterdrückung jeder türkischen Anstrengung wird unsere Aktionen für Verfassungsänderungen sehr erleichtern und diese werden dann durchgeführt werden können, ohne dass die Türken in der Lage sein werden, irgendeine Reaktion zu zeigen. Denn sie werden einsehen, dass das für sie unmög1ich ist ohne ernstliche Konsequenzen für ihre Volksgruppe. (Aus einer englischen Übersetzung, abgedruckt in: Necati Münir Ertekün, In search of a negotiated Cyprus Settlement, 1981, Seite 153 ff.)


Offenbar in Ausführunq dieses Plans verkündete Präsident Makarios im November 1963 den "Vorschlag", diejenigen Verfassungsartikel abzuschaffen, die den türkischen Zyprioten Gleichberechtigung und Schutz vor Majorisierung gewährten. Und im Dezember 1963 fielen die ersten Schüsse im zyprischen Bürgerkrieg, von denen die Welt Notiz nahm.

Um diesen Bürgerkrieg, für den es anfangs wenig objektive Beobachter gab, richtig zu sehen, dürfte die Erinnerung an folgende Tatsachen genügen: Nach einer Volkszählung von 1960 lebten damals in Zypern 442.421 Griechen und 104.350 Türken (vgl. auch den bereits zitierten Galo-Plaza-Bericht, Seite 7 Fußnote 2). Die nach den Verträgen von 1960 in Zypern stationierten Streitkräfte Griechenlands und der Türkei zählten 950 und 650 Mann (vgl. Art. 4 und Zusatzprotokoll Nr. 1 des Allianzvertrages zwischen Griechenland, Türkei und Zypern vom 16. August 1960, Cmnd. 1093 Seite 88 f.) Eine erste Übersicht über die militärischen Kräfte der Bürgerkriegsparteien, welche die UN-Friedenstruppe gewinnen konnte, ist im Bericht des Generalsekretärs vom 15. Juni 1964 enthalten, wo es heißt, auf griechisch-zyprischer Seite seien seit der "EOKA-Tag-Parade" im April viele gepanzerte Fahrzeuge, darunter "Marmon Herringtons", gesehen worden, und zwar unter anderem bei Limassol, Ktima, Kokkina und Ghaziveran. Es gebe griechische Fabriken in Limassol und Xeros, die täglich viele hundert Granaten produzieren. Die Griechen verfügten auch über Beobachtungsflugzeuge und Bell-Hubschrauber. Auf türkischer Seite seien zwar auch Maschinengewehre, Bazookas und Minenwerfer gesehen worden, doch bestünden hier - von primitiven Schießgewehren und "Rohr-Bomben" abgesehen - keine Produktionsmöglichkeiten. (Seite 9.) In demselben Bericht wird die Stärke der griechischen bewaffneten Polizei mit 5.000 und der reichlich bewaffneten und auch mit modernen schweren Waffen ausgestatteten "Nationalgarde" mit 15.000 Man angegeben, auf türkischer Seite wurden Zahlen nicht genannt (Seite 14). Der Galo-Plaza-Bericht faßt die Situation mit Bezug auf die ersten 6 Monate der UN-Operationen (März bis August 1964) wie folgt zusammen:

" ... large numbers of armed men, in and out of uniform and apparently under widely variying degrees of control, were facing one another from fortified positions in many parts of the island. Their numbers had been greatly increased and their armament greatly enlarged, especially on the Greek-Cypriot side, and with assistance from Greece in particular ... There were ... roadblocks, strongpoints, fortified houses, sandbagged walls and trenches. These were the barriers which at many places in the island kept the communities apart either by force or by fear of arrest, abduction or gunfire. They ... became indeed part of the machinery of what came to be regarded as an economic blockade by the Greek-Cypriots against the Turkish-Cypriots. They curtailed the functioning of government services and ... added a physical dimension to the breaking down of the Constitution ... " (Seite 19 f.)


Selbst wenn man Zeitungsberichte ganz beiseite läßt und sich nur an diese wenigen und lückenhaften Tatsachen hält, bedarf es wenig Vorstellungskraft, um sich eine Meinung darüber zu bilden, wer zu Weihnachten 1963 die Angreifer, wer die Verteidiger waren.
5. Papalekas weist nach, dass die zyprische Verfassung von 1960 den türkischen Zyprioten Rechte einräumte und folgert daraus, dass sie Konflikte gestiftet habe (Seiten 111 ff.). Deutlicher kann man den Standpunkt nicht machen, der für den Zypern-Konflikt seit 1963 verantwortlich ist: Nur bei Rechtlosigkeit der Türken, bei unbeschränkter Herrschaft der Zypern-Griechen über sie gewährt Papalekas Hoffnung auf ein Ende des Konflikts. Papalekas bedient sich idyllischer Diktion, wenn er schreibt, die Verfassung habe "sich" als unpraktikabel "erwiesen", und "es kam zu Bürgerkrieg". Man braucht doch nur seinen Aufsatz zu lesen, um ganz klar zu sehen, worin die "Unpraktikabilität" bestand: in der Verhinderung unumschränkter Herrschaft der Zypern-Griechen über die Zypern-Türken.

Die Verfassungsrechte der Zypern-Türken von 1960 mit denen des britischen Gouverneurs oder mit russischen Aspirationen in Afghanistan zu vergleichen, macht den Aufsatz von Paplekas vollends zur Zumutung für den Leser. Welches Unterscheidungsvermögen traut Papalekas seinem Publikum eigentlich zu, wenn er die politische Lage der Türken in West-Berlin mit derjenigen der Türken in Zypern vergleicht? Welche Naivität unterstellt er, wenn er sich vor dem Hintergrund der Ereignisse zwischen 1963 und 1974 für Beendigung der "militärischen Besetzung des Nordens der Insel, die Beseitigung des eisernen Vorhangs, die Gewährleistung der Bewegungs- und Siedlungsfreiheit, Wiedereinführung der Freizügigkeit", zugleich aber "nicht zuletzt" für die Anerkennung des Mehrheitsprinzips in Staat und Politik in Zypern einsetzt ? Wenn Papalekas schreibt, jeder Schritt in diese Richtung würde die Befriedung Zyperns erheblich fördern, so droht er damit den Zypern-Türken und jedem anderen Gegner seiner Politik Gewalt an, bis die Vorherrschaft der Griechen über die Türken etabliert ist und deren Rechte beseitigt sind. Wenn er dem Westen als Lohn für eine Unterstützung dieser Politik einen moralischen Orden anbietet, so mag man das traurig finden. Die Inaussichtstellung, dass mit einer solchen Unterstützung "beträchtliche politische Vorteile in einer großen Gefährdungen ausgesetzten Region" (Seite 121) verbunden wären, kommt aber, wenn man die allgemeine Hintergründigkeit der Ausführungen Papalekas'in Betracht zieht, etwa der Drohung gleich: mit unserer Bündnistreue an der Südflanke Europas könnt ihr nur rechnen, wenn ihr unsere Zypernpolitik unterstützt. Die Bewertung einer solchen Bündnisbereitschaft sei dem Leser überlassen.
6. In der durch Verpflichtung auf Altar und Hellas (die niemand und am allerwenigsten die Türken angegriffen hatten) emotional aufgeladenen Atmosphäre "kam es" - nach Papalekas - Weihnachten 1962 zu blutigen Auseinandersetzungen, "die der Ära von Zürich und London ein ruhmloses Ende bereiteten". Ruhmlos in der Tat war das Ende der Vernunft (vgl. Wingenroth, Sieg der Vernunft, in: Außenpolitik 1959 Seite 235 ff.), der Toleranz, der Gleichheit und Brüderlichkeit, deren Formulierung und Übereinkunft zum Ruhme Zürichs und Londons beitrugen, ruhmlos ist die Apologie, die Papalekas diesem Ende widmet.

Was wird man überhaupt noch einer Partei glauben, die es als Realisierung längst gehegter Teilungsabsichten Ankaras, als "offensichtlich von langer Hand vorbereitete türkische Aktion" (Papalekas, Seite 113) darstellen läßt, wenn nach den Ereignissen vom Dezember 1963 650 türkische Soldaten antraten, um die Straße Nicosia-Kyrenia gegen alsbald 15.000 griechische Kämpfer zu verteidigen. Welch ein Hohn liegt in der Darstellung, die Zypern-Türken hätten "in mehreren Orten Zyperns Enklaven" gebildet, um die türkischen Zyprioten zu ghettoisieren (Papalekas, Seite 114), während auf der ganzen Insel die Zypern-Türken - Männer, Frauen und Kinder - mindestens zu Dutzenden offen erschossen wurden, spurlos verschwanden oder, in Massengräbern eilig verscharrt, wiedergefunden wurden.

"Es ist an der Zeit, dass die einflußreichen westlichen Staaten sich endlich die Zypern-Problematik in ihrer ganzen Tragweite für die freie Welt vergegenwärtigen und daraus die richtigen Konsequenzen für ihre Politik und ihr Handeln ziehen" (Papalekas, aaO. Seite 121). Das meine ich auch. Das 45-Millionen-Volk in Ana- tolien, vielleicht mehr als andere zur Verteidigung der Freiheit und westlicher Ideale bereit, wartet auf ein Zeichen, dass die freie Welt ihrerseits bereit ist, sich für Verträge, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit einzusetzen. Die Ideale, zu denen sich die westliche Welt bekennt, geben ihm einen Anspruch darauf.

Gewiß wird man gerade in Deutschland ernstes und tiefes Mitgefühl empfinden für das Leid von 200.000 griechisch-zyprischen (und von Papalekas nicht erwähnten türkisch-zyprischen) Flüchtlingen, die ihre Heimat verlassen mussten. Aber dieses Leid hat niemand anderes zu verantworten als die griechisch-zyprische Bürgerkriegspartei. Nachdem die Türkei zehn Jahre lang die Verfolgung ihrer wehrlosen Landsleute in Zypern ertragen hat, haben ihre Streitkräfte jene Linie durch Zypern gezogen, die Mord und Unterdrückung ein Ende gesetzt hat - wenn auch um den Preis des von Papalekas beklagten Flüchtlingselends. Und was dann kam: Es ist kein Ruhmesblatt in der Geschichte, dass die Völkerfamilie die Zypern-Griechen unterstützte und noch unterstützt, die griechisch- zyprische Verwaltung im Süden der Insel als Regierung Zyperns diplomatisch anerkennt, ihr dadurch erhebliche Vorteile allein schon bei der Vertretung ihrer Interessen gewährt und diese Regierung wirtschaftlich unterstützt, während sie die Zypern-Türken zu vergessen versucht.
7. Wie soll es nun weitergehen? Es ist ganz richtig, dass erst einmal Maßnahmen kooperativer Art ergriffen werden sollten. Kooperation war das Anliegen und die Hoffnung der Verfassung von 1960. Das kooperative Element dieser Verfassung ist in denjenigen Artikeln enthalten, deren Abschaffung Erzbischof Markarios in seinen 13 Punkten vom November 1963 forderte: Es geht der griechisch-zyprischen Partei nicht um Kooperation, sondern um Vorherrschaft. Was sonst stünde zwei gleichberechtigten Bundesstaaten auf Zypern entgegen, die eine Kooperation wiederbeginnen und - auf der für Kooperation begriffsnotwendigen Basis einer mindestens bereichsweisen Gleichberechtigung - einüben, aufbauen und weiterentwickeln. Vertrauensbildende Maßnahmen hat einer der führenden Köpfe griechisch-Zyperns, N. C. Lanitis schon 1963 vorgeschlagen (siehe weiter unten in Abschnitt 8). Sie waren allerdings das genaue Gegenteil dessen, was die griechisch-zyprische Partei unter Erzbischof Makarios dann alsbald veranstaltet hat und was Papalekas heute verteidigt. Wenn sich die Zypern- Griechen von einer Versöhnung nichts anderes versprechen als das, was Papalekas auf Seite 121 erwähnt, nämlich "eine Beendigung ihrer existenziellen Bedrohung", so ist es mit dem Versöhnungswillen von vorne herein nicht weit her. Denn erstens fehlt es an jeglicher Bedrohung dieser Art und zweitens kann Versöhnung kein Vehikel eines ausschließlich egoistischen Motivs sein.

Es ist richtig, dass die Griechen und Türken Zyperns jahrhundertelang gut miteinander ausgekommen sind, allerdings wohl nicht, wie Papalekas Seite 120 meint, "trotz" sondern wegen der osmanischen und später englischen Besetzung. Eine Ersetzung des englischen durch einen griechischen Kolonialismus kann man allerdings kaum als dessen Bewältigung bezeichnen. Zu einer wirklichen Bewältigung bedarf es vielmehr eines Reifungsprozesses, der unter anderem Bündnisfähigkeit voraussetzt. Diese kann es aber nicht geben ohne Achtung der Gleichberechtigung anderer und ohne das Anerkenntnis der Verbindlichkeit von Verträgen.

Ganz richtig und heute offensichtlicher denn je ist, worauf die Zypern-Griechen immer wieder aufmerksam gemacht wurden - zuerst (wie Papalekas Seite 111 bemerkt) durch den britischen Kolonialminister Lennox Boyd Ende 1956, dass Teilung die Konsequenz einer "Selbstbestimmung" im Sinne griechisch-zyprischen Verständnisses ist. Aber griechisch-Zypern weigert sich bis heute, das zur Kenntnis zu nehmen (vgl. auch meinen Aufsatz zum Zypernkonflikt in Europa-Archiv, 1964, Seite 725, wo Teilung als traurigste aller Alternativen zur Partnerschaft bezeichnet wird, und die Reaktion von Papalekas darauf in seinem Aufsatz "Zypern-Konflikt - Warum ?"in: Cyprus Today, Band 3, 1965, Nummer 3, Seite 12, 16, wo er mich zum "Autor der Teilung" umfunktioniert).
8. Die Haltung des Professors Papalekas zum Zypern-Konflikt, wie sie in seinem Aufsatz in den Süd- osteuropa-Mitteilungen von 1982 zum Ausdruck kommt, bezeugt nicht nur eine maßlose Übersteigerung eines im Kern achtens- und wünschenswerten Nationalempfindens, sondern eine Überhebung ungerechtfertigter Ansprüche, ver- bunden mit einer tiefen Verachtung für die Rechte anderer und die Voraussetzungen des Zusammenlebens der Menschen und Völker. Diese Voraussetzungen haben die Zypernverträge von Zürich und London und die ihnen entsprechende Verfassung Zyperns von 1959 und 1960 zutreffend artikuliert, indem sie die Konsequenzen aus dem Zusammenleben von Teilen zweier gleichberechtigter Völker in Zypern zogen.

Glücklicherweise gibt es auf griechischer Seite berufenere Stimmen als diejenige des Professors Papalekas aus Bochum, die sich mit dieser Situation auseinandergesetzt haben. Es lohnt sich gerade heute sehr, einmal den Aufsatz nachzulesen, den N. C. Lanitis in der Zeitung "Cyprus MaiI" am 3., 4., 5., 6. und 7. März 1963 unter dem Titel "Our Destiny" veröffentlichte. In diesen hervorragenden Ausführungen finden sich folgende Sätze:

"The Zurich agreement is as good as the men who want to apply it ... The provisions ... 70:30 as between Greeks and Turks ... are not as important as they look unless we view them ... with sentimentalism ... When we blantantly celebrate on Greek national occasions, we cause fear and hatred amongst the Turks ... We have not as yet completely honoured all the provisions of the Zurich and London agreements. Some of these provisions are hard to accept. However, we must remember that we put our signature down and we have to honour it ... benefits ... are to be derived from co-operation between the two communities … Strict observance to contractual obligations is ... necessity. We the Greeks have to gain the confidence of the Turks. The Greek leaders must stretch their hand out to the Turks and treat them like friends ... The alternatives are ... two: use of force or co-operation ... "


Dazu muß man wissen, dass N. C. Lanitis einer der führenden Wirtschaftler in Zypern und dabei - wie schon die vorhergehenden Sätze zeigen - auch ein bedeutender politischer Denker ist. Aber wie sooft in nationalistisch-emotional aufgeheizten Zeiten versagte auch hier die Wirkung der Stimme der Vernunft. Sie wurde niedergeschrieen von demselben "Geist", den nunmehr Professor Papalekas publiziert und der sich leider 1963 durchgesetzt hat und seitdem wenig gehindert sein usurpatorisches und unwahrhaftiges Wesen treibt.

Ein Sprichwort sagt: Es gibt kaum ein Übel, das nichts Gutes mit sich bringt. So ist es auch mit dem Aufsatz von Professor Papalekas: Er liefert den Beweis, mit welchem Geist, mit welchen Zielen und Mitteln die Türken auf Seiten der griechischen Partei zu rechnen haben. Er wird manchem die Aufen öffnen, der sich bisher von griechischen Mehrheits-, Religions-, Demokratie- und Befreiungsargumenten blenden ließ, und der Aufsatz wird damit letzten Endes Verständnis wecken für die Forderung der Türkei nach gesicherter Selbstbestimmung in Zypern. Es soll und darf nicht vergessen werden, dass die Stimme Professor Papalekas' nicht repräsentativ ist für die überwältigende Zahl jener Griechen, ohne deren Beitrag wir uns Europa nicht vorstellen wollen, und auf deren Freundschaft kein guter Europäer verzichten möchte. Aber es lässt sich auch nicht übersehen, dass diese Stimme der mindestens seit 1963 betriebenen griechisch-zyprischen Politik überaus nahesteht.


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