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Zwei-plus-Drei-Verhandlungen ab 28.6.2017 / Two-plus-Three-Negotiations from 28.6.2017 onwards
Von/by Dr. Christian Heinze

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pro re publica / Der Zypernkonflikt / The Cyprus Conflict

2017 06 25 - geändert 2017 06 29

1 ZWEI PLUS DREI VERHANDLUNGEN IN CRANS-MONTANA AB 28.6.2017.

Am Mittwoch, dem 28. Juni 2017 sind die Repräsentanten der griechischen und türkischen Volksgruppen Zyperns die Garantiemächte des Versuchs einer Lösung des Zypernkonflikts von 1959/1960 (Griechenland, die Türkei und England) zum zweiten Mal seit Offenbarwerden des Scheiterns dieses Versuchs (Ende 1963) in Crans-Montana (Schweiz) mit dem Ziel, eine Vereinigung der Insel zu vereinbaren. Während bisher der Eindruck galt, dass die Garantiemächte erst nach Einigung der Volksgruppen verbindlich in Aktion treten würden, deutet die persönliche Teilnahme ihrer Außenminister von Beginn der jetzigen Verhandlungen in Crans-Montana an auf ihre Absicht auf intensivere Einflussnahme hin. Die Verhandlungen könnten nach dem gegenwärtigem Planungsstand bis 7. Juli 2017 andauern.

Als gemeinsame Verhandlungsgrundlage gilt nach wie vor die Gemeinsame Erklärung, die von den Repräsentanten der Volksgruppen am 11. Februar 2014 als Rahmen für weitere Verhandlungen verabschiedet worden ist. (Siehe zu dieser problematischen Erklärung den Beitrag dieser homepage vom 13.4.2014.)
2 BEDEUTUNG UND AUSSICHTEN.

Seit Februar 2014 haben die Konfliktparteien zwar unter konstantem Druck der UN, der EU und mehrerer Staaten über eine Neufassung umfangreicher Einzel-Regelungen zur Ausfüllung dieser Rahmenvereinbarung verhandelt. Zu diesen Verhandlungen ist nicht viel mehr bekannt geworden, als dass sie zwar "nützlich und konstruktiv" aber kontrovers gewesen seien. Es soll Landkarten geben, die Teilgebiete des zur Zeit türkisch beherrschten Gebiets an die griechische Seite vorsehen. Die Vertraulichkeit ist schwer verständlich angesichts der Notwendigkeit einer Zustimmung der zyprischen Bevölkerung zu einem haltbaren Arrangement und des Interesses der "Familie der Völker", die bisher großen Anteil am Schicksal der Insel genommen hat. Die Heimlichkeit betrifft beispielsweise die Abgrenzung der Territorien der beiden konstituierenden Staaten und die Verteilung der Staatsgerwalt. Die Suche nach Anhaltspunkten für mögliche Inhalte eines Vertragsentwurfs ist auf den sogenannten Annan-Plan angewiesen, dessen Annahme im Jahre 2004 am Widerstand der griechischen Zyprer scheiterte (siehe dazu "The Annan Plan for Cyprus" - in englischer Sprache und den Beitrag zum Annanplan-Referendum von 2004).

Da sich die griechische Forderung, die ganze Insel samt ihren türkischen Einwohnern zu beherrschen, und die türkische Entschlossenheit, an ihrer Selbstbestimmung festzuhalten, im Laufe der nunmehr 50 Jahre währenden Verhandlungen über den gleichen Konflikt eher verfestigt als aufgelöst haben, ist nicht in Sicht, dass die ebenfalls seit Jahrzehnten umstrittenen und von den Konfliktparteien durchdiskutierten Pläne der UN für einen hochkomplizierten Kompromiss über die Verteilung der Regierungsgewalt jetzt allseitige Zustimmung finden könnten.

Eine Änderung des bisher eingehaltenen Verfahrens bei den Zypernverhandlungen bedeutet die Absicht der Parteien, am 28. Juni 2917 mit Gesprächen über die allerdings zentrale Frage von Garantien einer etwaigen Übereinkunft in Gestalt türkischer Interventionsrechte zu beginnen. Dass dieses Recht von der griechischen Partei ebenso strikt abgelehnt wie von der türkischen Partei gefordert wird, deutet eher darauf hin, dass die anstehende Konferenz die UN-Pläne endgültig begraben könnte. (Siehe dazu die ausführliche Befürwortung einer Zweistaatenlösung durch den Verfasser von 1985 in "Cyprus Conflict", London, Rüstem, 1986 S. 29-35).
3 KURZER RÜCKBLICK AUF DEN WERDEGANG DES KONFLIKTS.

Die griechische Politik der Herabsetzung und Unterwerfung der Zyperntürken im Zug einer „Hellenisierung“ Zyperns wurde politisch relevant zunächst als Kollateralwirkung griechischer Aufstände gegen das türkische Reich und später gegen die durch England 1878 von diesem übernommene Staatsgewalt. Seit 1955 wurde diese Politik mit Hilfe des griechischen Partisanenhäuptlings und zyprischen Volkshelden Oberst Grivas mit Gewalt umgesetzt. Seit Aufgabe der englischen Souveränität 1959/1960 konzentrierte sich die Kampagne auf die Bekämpfung des türkischen Selbstbestimmungsanspruchs. Nur zum Schein stimmte die griechisch-zyprische Führung 1960 einer internationalen Vereinbarung zu, die zur Lösung des Konflikts eine Republik Zypern schaffen sollte, in der die staatlichen Befugnisse zwischen den auf der Insel vermischt oder in kleinen Enklaven lebenden (mehrheitlich) griechischen und (minderheitlich) türkischen Zyprern verteilt waren. England, Griechenland und die Türkei versprachen, die Vereinbarung zu garantieren. Die Vereinbarung verschaffte der griechischen Konfliktpartei eine günstigere Ausgansposition für die Weiterverfolgung ihres Ziels. Ende 1963 ließ sie die Maske fallen und ging unter offenem Bruch der Vereinbarung von 1960 zum Versuch gewaltsamer Unterwerfung der türkischen Zyprer über, die auf minimale Existenzbedingungen in nur schwer zu verteidigenden Enklaven reduziert wurden. Nach geduldiger aber vergeblicher Erwartung einer von den UN versprochenen Lösung des Konflikts machte die Türkei 1974 anlässlich eines gewaltsamen Versuchs des griechischen Militärs zur Annexion der Insel von ihrem Interventionsrecht Gebrauch, während die englische und griechische Garantie in Vergessenheit geriet. Vereinte türkische und zyperntürkische Streitkräfte vertrieben die Zyperngriechen aus dem Inselnorden und siedelte die Zyperntürken dorthin um.
4 DIE LAGE.

Seit dem Bruch der Vereinbarungen und der Verfassung von 1960 durch die griechische Partei ab Ende 1963 betreibt die UN ein doppeltes Spiel. Einerseits geht sie von der Beschränkung der griechischen Staatsgewalt auf den Südteil Zyperns und von der türkischen de-facto-Herrschaft über den Nordteil aus und verbietet unter Einsatz von UN-Truppen die Ausübung von Staatsgewalt der Konfliktparteien (nur) im Gebiet der jeweils anderen Partei. Andererseits gewährt sie die rechtliche Anerkennung dieser Staatsgewalten allein den griechischen, nicht aber den türkischen Zyprern. Als Ergebnis ist unbeschränkte Hellenisierung des Inselsüdens erreicht, der Inselnorden und die türkische Volksgruppe aber diffamiert, gedemütigt und vom üblichen internationalen Austausch abgeschnitten sowie einem wirtschaftlichen Embargo unterworfen. Die UN macht eine Beendigung dieser Isolierung von „Verhandlungen“ über eine „Vereinigung“ mit der griechischen Republik und damit von deren Zustimmung abhängig.
5 WÜRDIGUNG.

Unter diesen Umständen ist es weltfremd, eine Aufgabe des Vorherrschaftsanspruchs zu erwarten, den die griechische Partei durch ihr gesamtes Verhalten während der Verhandlungen überaus konsequent bekräftigt hat. Sie müsste dadurch sogar Einschränkungen der für den Inselsüden bereits erreichten Hellenisierung hinnehmen. Eine Art Vereinigung wäre allenfalls denkbar, wenn sie zwar äußerlich einer Föderation ähnelt, jedoch in Wirklichkeit die Herstellung der griechischen Vorherrschaft ermöglicht. Einem weitergehenden Kompromiss dürfte die griechische Konfliktpartei allenfalls (wie 1960) nur zum Schein zustimmen. Die Zyperntürken könnten allenfalls durch das immer länger andauernde Übel des Ausschlusses aus der Völkerfamilie zu einem Kompromiss gezwungen werden. Es würde sich dabei um eine Neuauflage der Spiegelfechterei von 1959/1960 handeln, und die Fortsetzung des Blutvergießens von 1963/1964 und 1974 wäre der historischen Erfahrung und der unveränderten griechischen Stimmung nach nur eine Frage der Zeit. (Vgl. im einzelnen die Beiträge der websites des Verfassers zum Zypernkonflikt.)

Der griechische Anspruch auf Vorherrschaft über Zypern ohne wirksame Gewährleistung türkischer Selbstregierung lief und läuft weiterhin dem Interesse nicht nur an dauerhaftem Frieden um Zypern sondern an einer Frieden gewährleistenden Ordnung internationaler Beziehungen überhaupt und der Beziehgungen „des Westens“ zu den mohammedanisch geprägten Staaten im besonderen zuwider. Einen auch nur Teile Zyperns erfassenden griechischen Staat hat es seit dem Mittelalter bis zur gewaltsamen griechischen Aneignung von Teilen der Insel im Jahre 1964 niemals gegeben. Der Entwurf einer Verfassung für die ganze Insel von 1960 wurde von der griechischen Partei verworfen und zunichte gemacht. Griechische Souveränität über den Inselnorden ist selbst von der UN niemals vorbehaltlos bestätigt worden, das Gegenteil ergibt sich aus der Entsendung von UN-Truppen zum Schutz der Grenze zwischen türkisch- und griechisch Zypern. Eine Bestätigung des griechischen Anspruchs in der Aufnahme von „Zypern“ in die EU zu sehen, würde voraussetzen, diese Aufnahme als Annexion des Inselnordens durch die EU einzuordnen.

Die Aufgabe der UN-Pläne ist daher überfällig. Offensichtlich verspricht nur eine Zweistaatenlösung dauerhaften Frieden . Nur sie kann auch allenfalls im Laufe einer eher längeren Zeit zur Bildung eines Bundesstaates führen, der den Namen verdient. Es bedarf einer Änderung der bisherigen internationalen Zypernpolitik und einer Beendigung des sinnlosen Verhandlungs-Marathons. Vor einigen Tagen sprach es auch der den Zypern-Konflikt seit Jahren recht klarsichtig kommentierende griechisch-zyprische Autor Loucas Charalambous aus: „50 Jahre sind genug“ ( Artikel in der "Cyprus Mail" vom 11.6.2017, abgerufen am 16.6.2017.)


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